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Autofab

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Titel: Autofab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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dauernd Leute abstürzten. Doch für ihn – konnte der seelische Schock den Tod bedeuten. Würde er mit Sicherheit den Tod bedeuten; zumindest für seinen Verstand.
    Er nahm sich fest vor: Nicht mehr auf die Rampen hinausgehen. Unter keinen Umständen. Er mied sie schon seit Jahren, doch von jetzt an fielen Rampen unter dieselbe Kategorie wie das Fliegen. Er hatte die Oberfläche des Planeten schon seit 1982 nicht mehr verlassen. Und in den letzten paar Jahren hatte er nur selten ein Büro betreten, das höher lag als zehn Treppen.
    Aber wenn er die Rampen nicht mehr benutzte, wie sollte er dann an seine Forschungsakten kommen? Der Aktenraum war nur über eine Rampe zu erreichen: über den schmalen Metallpfad, der von den Büros nach oben führte.
    Schwitzend, verängstigt sank er auf die Couch, kauerte sich zusammen und überlegte, wie er seinen Posten behalten, seine Arbeit machen sollte.
    Und wie er am Leben bleiben sollte.
    Humphrys wartete, doch sein Patient schien fertig zu sein.
    »Würde es Sie beruhigen«, fragte Humphrys, »wenn ich Ihnen sage, daß es sich bei der Angst zu fallen um eine weitverbreitete Phobie handelt?«
    »Nein«, antwortete Sharp.
    »Ich wüßte ehrlich gesagt auch nicht, weshalb. Sie meinten, das wäre Ihnen schon mehrmals passiert? Wann war das erste Mal?«
    »Da war ich acht. Der Krieg war seit zwei Jahren im Gange. Ich war an der Oberfläche und habe meinen Gemüsegarten inspiziert.« Sharp lächelte schwach. »Ich habe schon als Kind gern Dinge wachsen sehen. Das System von San Francisco hatte das Auspuffeuer einer sowjetischen Rakete geortet, und alle Warntürme gingen los wie Feuerwerk. Ich war beinahe direkt über dem Bunker. Ich flitzte hin, hob den Deckel, und dann los, die Treppe runter. Unten standen meine Mutter und mein Vater. Sie riefen mir zu, ich soll mich beeilen. Ich rannte die Treppe runter.«
    »Und sind gefallen?« fragte Humphrys erwartungsvoll.
    »Ich bin nicht gefallen; ich bekam plötzlich Angst. Ich konnte nicht weitergehen; ich stand einfach da. Und sie riefen zu mir rauf. Sie wollten die Verschlußplatte festschrauben. Und das ging erst, wenn ich unten war.«
    »An diese alten zweistöckigen Bunker kann ich mich noch genau erinnern«, gestand Humphrys mit einem Anflug von Abscheu. »Mich würde interessieren, wie viele Menschen wohl zwischen Deckel und Verschlußplatte eingeschlossen worden sind.« Er musterte seinen Patienten. »Hatten Sie als Kind schon mal davon gehört? Daß Leute auf der Treppe eingeschlossen wurden und weder zurück nach oben noch nach unten konnten…«
    »Ich hatte keine Angst, eingeschlossen zu werden! Ich hatte Angst zu fallen – Angst, ich würde kopfüber die Treppe runterschlagen.« Sharp leckte sich die trockenen Lippen. »Nun ja, also hab ich umgedreht – « Ein Schauer durchlief seinen Körper. »Ich bin zurück nach oben und nach draußen.«
    »Während des Angriffs?«
    »Die Rakete wurde abgeschossen. Aber den ganzen Alarm über habe ich mein Gemüse gehütet. Hinterher hat mich meine Familie fast besinnungslos geprügelt.«
    In Humphrys Kopf bildeten sich die Wörter: Ursprung der Schuld.
    »Beim nächsten Mal«, fuhr Sharp fort, »war ich vierzehn. Der Krieg war seit ein paar Monaten vorbei. Wir fuhren zurück, um nachzusehen, was von unserer Stadt noch übrig war. Nichts war mehr übrig, nur ein Krater voll radioaktiver Schlacke, über hundert Meter tief. Arbeitsmannschaften sind in den Krater runtergekrochen. Ich stand am Rand und schaute ihnen dabei zu. Da überkam mich die Angst.« Er drückte seine Zigarette aus und wartete, bis der Analytiker ihm
    eine neue gegeben hatte. »Danach bin ich aus der Gegend weggegangen. Jede Nacht hab ich von dem Krater geträumt, diesem riesigen toten Schlund. Ich bin per Anhalter auf einem Militärlaster bis nach San Francisco gefahren.«
    »Wann war das nächste Mal?« fragte Humphrys.
    »Dann passierte es andauernd«, sagte Sharp gereizt, »jedesmal, wenn ich hoch oben war, jedesmal, wenn ich eine Treppe rauf- oder runtergehen mußte – in jeder Situation, wo ich hoch oben war und runterfallen konnte. Aber daß ich Angst habe, die Treppe zu meinem eigenen Haus raufzugehen – « Er hielt einen Moment inne. »Ich kann keine drei Stufen mehr raufgehen«, sagte er unglücklich. »Drei Stufen aus Beton.«
    »Irgendwelche schlimmen Episoden, abgesehen von denen, die Sie schon erwähnt haben?«
    »Ich hab mich mal in ein hübsches brünettes Mädchen verliebt, die im obersten Stock der

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