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Autofab

Autofab

Titel: Autofab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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stimmt’s?«
    »Nein«, sagte Sharp; er lehnte es ab, sich mit Giller auf eine Stufe stellen zu lassen. »Meine Familie hatte einen Drugstore, direkt am Highway 101. Einen Block vom Park entfernt, in der Nähe vom Sportgeschäft.« Und, setzte er stumm hinzu: Meinetwegen kannst du dich zum Teufel scheren. Ich werd’s mir nämlich nicht anders überlegen. Meinetwegen kannst du bis an dein Lebensende hier auf der Matte stehen, und es wird dir trotzdem nichts nützen. So wichtig ist Petaluma nicht. Und die Hühner sind sowieso hinüber.
    »Wie läuft der Wiederaufbau von Sacramento?« erkundigte sich Giller.
    »Gut.«
    »Wieder jede Menge Walnüsse?«
    »Die Walnüsse kommen den Leuten langsam zu den Ohren raus.«
    »Habt ihr Mäuse in den Schalenhaufen?«
    »Tausende.« Sharp nippte an seinem Bier; es war von guter Qualität, wahrscheinlich genausogut wie vor dem Krieg. Das wußte er nicht, denn 1961, als der Krieg ausbrach, war er erst sechs Jahre alt gewesen. Aber das Bier schmeckte so, wie er die alten Zeiten in Erinnerung hatte: satt und selig und gediegen.
    »Wir sind der Meinung«, sagte Giller heiser, und sein Gesicht leuchtete vor Begeistertung, »daß man das Petaluma-Sonoma-Gebiet für knapp sieben Millionen Westblock wieder aufbauen könnte. Und das ist nichts im Vergleich zu dem, was Sie bisher so an Almosen verteilt haben.«
    »Und das Petaluma-Sonoma-Gebiet ist nichts im Vergleich zu den Gebieten, die wir wieder aufgebaut haben«, meinte Sharp. »Meinen Sie etwa, wir brauchen Eier und Wein? Was wir brauchen, sind Maschinen. Wir brauchen Chicago und Pittsburgh, Los Angeles und St. Louis – «
    »Sie haben vergessen«, polterte Giller, »daß Sie aus Petaluma kommen. Sie verschließen die Augen vor Ihrer Herkunft - und vor Ihrer Pflicht.«
    »Pflicht! Meinen Sie etwa, die Regierung hätte mich eingestellt, damit ich für ein unbedeutendes Ackerbaugebiet den Lobbyisten spiele?« Vor lauter Empörung lief Sharp rot an. »Was mich angeht – «
    »Wir sind Ihre Leute«, sagte Giller unerbittlich. »Und Ihre Leute haben Vorrang.«
    Als er den Mann losgeworden war, stand Sharp eine Zeitlang in der nächtlichen Dunkelheit und sah Gillers Wagen nach, der die Straße hinab verschwand. Tja, sagte er sich, das ist nun mal der Lauf der Welt – ich hab Vorrang, zum Teufel mit den anderen.
    Seufzend machte er kehrt und ging den Weg zur Veranda seines Hauses hinauf. Licht schimmerte freundlich im
    Fenster. Fröstelnd streckte er die Hand aus und tastete nach dem Geländer.
    Und dann, als er schwerfällig die Stufen hinaufstieg, passierte das Schreckliche.
    Urplötzlich gingen die Lichter im Fenster aus. Das Verandageländer löste sich unter seinen Fingern auf. In seinen Ohren schwoll ein schrilles, kreischendes Wimmern und machte ihn taub. Er fiel. Wild zappelnd versuchte er, irgendwo Halt zu finden, doch um ihn her war nur leere Dunkelheit, keine Materie, keine Realität, nur die Tiefe unter ihm und das Krakeelen seiner eigenen angsterfüllten Schreie.
    »Hilfe!« brüllte er, und der vergebliche Laut hallte hämmernd zu ihm zurück. »Ich falle!«
    Und dann lag er auf dem feuchten Rasen ausgestreckt und schnappte nach Luft, mit den Händen Gras und Erde umklammernd. Gut einen halben Meter von der Veranda entfernt - er hatte im Dunkeln die erste Stufe verfehlt, war ausgerutscht und hingefallen. Nichts Besonderes: Das Betongeländer hatte ihm die Sicht auf das Licht im Fenster versperrt. Die ganze Sache hatte nur den Bruchteil einer Sekunde gedauert, und er war lediglich der Länge nach hingeschlagen. An seiner Stirn war Blut; er hatte sich beim Aufprall geschnitten.
    Lächerlich. Eine kindische, ärgerliche Angelegenheit.
    Schwankend rappelte er sich hoch und stieg die Treppe hinauf. Im Haus angekommen, blieb er an die Wand gelehnt stehen, zitternd und keuchend. Nach und nach verflog die Furcht, und die Vernunft kehrte zurück.
    Weshalb hatte er solche Angst davor, zu fallen?
    Er mußte etwas unternehmen. Es war schlimmer denn je, schlimmer noch als damals, als er im Büro aus dem Fahrstuhl gekommen und gestolpert war – und sich vor einer Halle voller Leute augenblicklich in ein hysterisch kreischendes Etwas verwandelt hatte.
    Was würde aus ihm werden, wenn er wirklich fiel? Wenn er zum Beispiel von einer der Hochrampen abrutschte, die die
    wichtigen Bürogebäude in Los Angeles miteinander verbanden? Der Sturz würde von Sicherheitsschirmen aufgefangen; nie trug jemand körperlichen Schaden davon, obgleich

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