Autofab
drang ein hohes Wimmern, ein gequältes Winseln. Widerstreitende Reize prallten aufeinander; die Maschine konnte sich nicht entscheiden.
Die Maschine entwickelte eine Situationsneurose, und die Ambivalenz ihrer Reaktion machte sie kaputt. In gewisser Hinsicht waren ihre Qualen direkt menschlich, doch er konnte kein Mitleid für sie aufbringen. Sie war ein mechanischer Kasten, der versuchte, sich durch ein harmloses Äußeres zu tarnen und gleichzeitig anzugreifen; von dem Zusammenbruch betroffen waren Röhren und Relais, kein lebendes Gehirn. Und es war schließlich ein lebendes Gehirn gewesen, in das sie ihr erstes Kügelchen abgefeuert hatte. Heimie Rosenburg war tot, und es gab keinen mehr wie ihn und auch keine Möglichkeit, sich einen wie ihn zusammenzubasteln. Er ging zu der Maschine und kippte sie mit dem Fuß auf den Rücken.
Die Maschine drehte sich im Kreis wie eine Schlange und
wirbelte zur Seite. »Arrgh, verdammt!« sagte sie. Als sie davonrollte, ließ sie Tabakskrümel niederprasseln; Blutstropfen und Emailsplitter rieselten aus ihr heraus, als sie in den Flur verschwand. Beam hörte, wie sie dort herumfuhrwerkte und gegen die Wände stieß wie ein blinder, verletzter Organismus. Einen Augenblick später ging er ihr nach.
Im Flur fuhr die Maschine langsam im Kreis. Sie errichtete eine Mauer aus Partikeln um sich herum: aus Stoff, Haaren, abgebrannten Streichhölzern und Tabakskrümeln, das Ganze zusammengekittet mit Blut.
»Arrgh, verdammt«, sagte die Maschine mit ihrer dröhnenden Männerstimme. Sie machte mit ihrer Arbeit weiter, und Beam ging zurück nach nebenan.
»Wo gibt’s hier ein Telefon?« fragte er Ellen Ackers. Sie starrte ihn geistesabwesend an.
»Die tut Ihnen nichts«, meinte er. Er fühlte sich matt und ausgelaugt. »Sie ist in einem geschlossenen Kreislauf gefangen. Sie macht so weiter, bis sie am Ende ist.«
»Sie ist durchgedreht«, sagte sie; sie schauderte.
»Nein«, erwiderte er. »Regression. Sie versucht, sich zu verstecken.«
»Arrgh. Verdammt«, sagte die Maschine im Korridor. Beam fand das Telefon und rief Edward Ackers an.
Verbannung, das bedeutete für Paul Tirol zunächst eine Reihe dunkler Phasen und dann ein endloses, quälendes Intervall, in dem tote Materie ziellos um ihn her trieb und sich mal zu diesem, mal zu jenem Muster verdichtete.
Der Zeitraum zwischen Ellen Ackers’ Attacke und der Verkündung des Verbannungsurteils war ihm nur vage und verschwommen in Erinnerung. Wie auch die Schatten ringsum war er nur schwer zu erhellen.
Er war – so dachte er – in Ackers’ Wohnung aufgewacht. Ja, genauso war es; Leroy Beam war auch dort gewesen. Ein irgendwie transzendenter Leroy Beam, der ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegend schwirrte und alles nach eigenem
Gutdünken arrangierte. Ein Arzt war gekommen. Und schließlich war auch Edward Ackers aufgetaucht, um sich seiner Frau und der Situation zu stellen.
Als er mit verbundenem Kopf ins Innenministerium gebracht worden war, hatte er einen flüchtigen Blick auf einen Mann erhascht, der gerade herausgekommen war. David Lantanos plumpe, wulstige Gestalt auf dem Heimweg in seine Luxusvilla aus Stein mit einem ganzen Morgen Rasen davor.
Sein Anblick hatte ihm einen angstvollen Stich versetzt. Lantano hatte ihn nicht einmal bemerkt; mit beängstigend nachdenklichem Gesicht war Lantano zu einem wartenden Wagen getrottet und davongefahren.
»Sie haben tausend Dollar«, sagte Edward Ackers in der Schlußphase müde. Verzerrt flackerte Ackers’ Gesicht erneut in den Flugschatten auf, die Tirol umgaben, ein schemenhaftes Bild vom letzten Auftritt des Mannes. Ackers war ebenfalls ruiniert, wenn auch in anderer Hinsicht. »Laut Gesetz bekommen Sie tausend Dollar gestellt, um Ihre unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen, außerdem kriegen Sie ein Taschenwörterbuch der repräsentativen Außensystemdialekte.«
Die Ionisation an sich war schmerzlos. Er hatte keine Erinnerung daran; lediglich ein leerer Fleck, dunkler noch als die verschwommenen Bilder links und rechts.
»Sie hassen mich«, hatte er vorwurfsvoll erklärt, seine letzten Worte an Ackers. »Ich habe Sie vernichtet. Aber… es ging gar nicht um Sie.« Er war ganz durcheinander gewesen. »Lantano. Geschickter Schachzug, aber ohne… Wie? Sie haben… «
Doch Lantano hatte nichts damit zu tun. Lantano war davongewatschelt, nach Hause, war die ganze Zeit nur ein unbeteiligter Zuschauer gewesen. Zum Teufel mit Lantano. Zum Teufel mit Ackers
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