Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Aufregung vorbei war.
»Danke«, wisperte er, als Eoc ihm auf die Beine half. »Du hast gute Hände.«
»Beachtlich, wie du das arme Pferd beruhigt hast«, erwiderte sie. »Wenn du mit deiner Frau nur halb so viel reden würdest wie mit deinen Pferden, dann wären viele Dinge in den vergangenen zwei Jahren anders gelaufen.« Er zuckte zusammen, diesmal aber nicht vor körperlichen Schmerzen. Es war nicht gerade gerecht, so mit ihm zu sprechen, wo ihm der Atem ausging, um zu antworten, aber sie hatte sich das Recht verdient. Damit hatte er etwas zum Nachdenken, während er darauf wartete, dass seine Rippen heilten.
Und auch Lhiannon hatte etwas zum Nachdenken. Der Bote erzählte, dass Caratac sich mitsamt der Sippe seiner Gemahlin im Land der Ordovicer aufhalte. Er wollte die Zeit der Abwesenheit des Feldherrn nutzen, um sich an den Dobunni und Cornovi zu rächen, die sich mit Rom verbündet hatten.
Eigentlich hatte sie gedacht, dass die Sache, für die sie und Ardanos so viel ertragen hatten, erledigt sei. Verriet sie sein Andenken, wenn sie hier in Sicherheit blieb bei all jenen, die Caratac einen Verräter nennen würden? Hier wurde sie gebraucht, aber es war eine Arbeit, die auch jede andere weise Frau aus dem Dorf tun könnte. Sollte sie doch nach Mona zurückkehren? Oder zu Caratac, um den Kampf noch einmal aufzunehmen? Sie wusste es nicht.
FÜNFZEHN
»Meinst du, der König wird bald daheim sein?«, fragte Temella.
Boudicca schlug den Webschütz zwischen den Kettfaden hindurch und fluchte, als der Schussfaden sich um das Schiffchen wickelte und riss. Die Frage machte sie wütend, aber in Wahrheit wusste sie nicht recht, warum. Doch das Mädchen nun dafür anzuschreien hatte auch keinen Zweck. Eigentlich müsste sie froh sein, dass er noch beim Hochkönig in Dun Garo weilte. Ihn den ganzen Winter um sich zu haben, während die gebrochenen Rippen heilten, hatte sie halb wahnsinnig gemacht, obwohl sie versucht hatte, ihren Unmut dem Kind zuliebe zu verbergen.
Wo der König war, dahin kamen die Boten – da konnte sie nichts machen –, und mit ihnen eine beunruhigende Nachricht nach der anderen. Der neue Feldherr hatte offenbar noch nie davon gehört, dass Truppenbewegungen im Winter unmöglich waren, und mit solcher Kraft angegriffen, dass Caratac gezwungen war, sich nordwärts zurückzuziehen in die unzugänglichen Berge, wo sich die Festungen der Ordovicer befanden. Damit hätte das Ganze eigentlich ein Ende gehabt. Doch kurz nach dem Fest zu Ehren Brigantias war ein schneller Reiter aus Dun Garo gekommen und hatte Prasutagos zu einer dringlichen Notfallversammlung des Stammes gerufen.
Inzwischen war ein Mondumlauf vorbei. Wenn es einen Unfall gegeben hätte, dann wären Eoc und Bituitos sicherlich gekommen, um ihnen das mitzuteilen. Was könnte der Rat zu besprechen haben, das so lange dauern würde? Und warum wurde sie mit jedem Tag, da ihr Mann weg war, unruhiger? Sie seufzte und versuchte, die entzweiten Garnenden wieder zu verspleißen. Der Faden würde zwar ein wenig knubbelig sein, aber wenigstens konnte sie dann weiterweben.
An die Feststellung jedoch, dass sie mit jedem Tag unruhiger wurde, sollte sie sich noch erinnern in den Tagen nach Prasutagos’ Heimkehr.
Als Bogles Gebell alle aus dem Haus holte, um die heimkehrenden Reiter zu begrüßen, erschien es ihr zunächst, als sei der König verwundet. Selbst unter den größten Rippenschmerzen hatte er nicht so grau und betrübt ausgesehen. Nessa brachte ihm ein Trinkhorn voll Met und schenkte ihm gleich ein zweites ein, als er das erste in einem Zug geleert hatte. Und selbst dann war es Bituitos, der ihnen alle Neuigkeiten berichtete.
»Die Römer haben unser Land eingenommen, unser Korn und unser Gold. Nun nehmen sie auch unsere Schwerter!« Er sah die Bestürzung in ihren Gesichtern und lachte düster. »Sie wollen, dass wir uns entwaffnen. Der Feldherr fürchtet, dass wir uns mit Caratac verbünden, wenn wir Waffen besitzen. Er hat allen Stämmen auf dieser Seite der Grenze, die sie Limes nennen, befohlen, sämtliche Kriegswaffen abzugeben – den eroberten Stämmen ebenso wie den verbündeten.«
»Das können sie nicht tun«, rief Boudicca. »Wir haben einen Vertrag. Wie sollen wir ihre Verbündeten sein, wenn wir im Notfall nicht in der Lage sind zu kämpfen?«
»Doch, sie können …«, sprach Prasutagos schließlich. »Kohorten durchstreifen bereits die Gehöfte der Trinovanten, befehlen den Männern, ihre Waffen abzuliefern, und
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