Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Streit darum gegeben, ob dieser druidische Zauber für den bevorstehenden Kampf überhaupt irgendeinen Sinn und Zweck hatte. Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Lhiannon, in dem sie las, was er vor den Kriegern nicht laut sagen konnte … So war Helve schließlich doch zu etwas gut gewesen …
»Aber das wussten wir doch von vornherein«, sagte Lhiannon sanft. »In der Nacht der Tagundnachtgleiche spürten wir die Energie, die uns durchströmte.«
»Aber jetzt wissen alle, dass es geholfen hat!«, erwiderte Cunitor. »Möge sich alles zu unseren Gunsten fügen!«
Caratac zog eine Braue hoch. »Dann war die Nacht des Schreckens also das Werk der Druiden? Warum habt ihr das nicht gleich gesagt?«
Cunitor tat zwar etwas beschämt, doch in Wahrheit war keinem von ihnen je in den Sinn gekommen, das druidische Wissen mit Nichtdruiden zu teilen.
»Es war die Herrin der Raben, die krächzende Schreie durch unsere Träume jagte«, erklärte Ardanos.
Und sie ist eine Macht, die, einmal gerufen, nicht so leicht wieder zu besänftigen ist, dachte Lhiannon bei sich – aber das brauchte Caratac nicht zu wissen.
Belina beugte sich zu Lhiannon und flüsterte ihr zu: »Dachtest du wirklich, Helve hätte freiwillig zurückgesteckt, wenn sie eine so gewaltige Macht herbeizurufen vermag?« Lhiannon nickte bedächtig, sagte aber nichts. Belina, die nie für das Amt der Hohepriesterin zur Wahl gestanden hatte, konnte einen solchen Gedanken freimütig äußern, ohne den Eindruck zu erwecken, eifersüchtig oder missgünstig zu sein.
»Nun gut, was immer ihr mit eurem Zauber bewirkt habt, meine Krieger scheinen überzeugt, dass ihr ein Wunder vollbracht habt. Gut für euch und euer Ansehen, weniger gut für mich, wenn ich das Heer zusammenhalten will.« Caratac zeigte auf die Lager rings um die Festung, wo nun geschäftige Aufbruchstimmung herrschte – es wimmelte lebhaft wie in einem umgekippten Bienenstock. Etliche waren bereits dabei, Zelte abzubrechen und ihre Sachen zusammenzupacken.
Bendeigid verfolgte das Treiben enttäuscht und bedrückt. Er war im vergangenen Jahr gerade erst zum Mann gereift. Und seit sie hier in Durovernon waren, hatte er den Kriegern unentwegt in den Ohren gelegen, ihn im Umgang mit Schwert und Schild zu unterweisen.
Und was Lhiannon anging, so hatte ihr die beschwerliche Reise mehr als einmal schmerzlich bewusst gemacht, wie leicht und schön ihr Leben in Oakhalls gewesen war. Doch wund gelaufene Füße und schmerzende Muskeln waren halb so schlimm, wenn sie dafür an Ardanos’ Seite sein konnte und sich nicht grämen musste, wie es ihm wohl erginge.
»Was meinst du? Wie viele werden bleiben?«, wollte Ardanos von Caratac wissen.
»Halb Britannien hält diese Ansammlung von Kriegern für eine strategische List, um Togodumnos zum König über alle Stämme zu erheben«, sagte Caratac bitter. »Und alle, die meinem Ruf gefolgt sind, werden nun heimkehren wollen, um noch rechtzeitig ihre Felder zu bestellen.«
Die Druiden nickten. Denn sollten die Römer doch noch kommen, dann würde die Schlacht in den Sommer fallen, in die Zeit zwischen Aussaat und Ernte. Das war jedem klar. Denn nur für die Römer war Krieg eines der alltäglichsten Dinge im Leben, nur sie waren imstande, zu jeder beliebigen Zeit im Jahr ein Heer zusammenzuziehen.
»Die Frage ist, ob die Römer tatsächlich entmutigt sind oder ob sie nur abwarten …«, bemerkte Cunitor. »Sie haben bestimmt nicht vergessen, wie Caesars Schiffe von den Stürmen auf unserem Meer gebeutelt wurden. Von daher werden sie gewiss nicht vor Sommer in See stechen, falls sie überhaupt kommen.«
»Mir wäre es lieber, die Römer kämen jetzt, wo mein Heer noch steht«, brummte Caratac, legte die Stirn in Falten und wandte sich an Lhiannon. »Ich weiß, dass einige unter den Druiden zum Orakel ausgebildet sind. Falls du, Verehrte, ein solches bist, möchte ich dich bitten zu schauen, wie es weitergeht. Du verstehst bestimmt, weshalb ich das wissen möchte!«
»Wissen möchten wir das alle …«, sagte Lhiannon leise. »Ich werde …«
»Sie wird es versuchen, aber nicht vor dem Abend des Beltane-Fests.« Ardanos schnitt ihr das Wort ab. »Dann sind die Energien stärker, und außerdem braucht sie Zeit, sich darauf vorzubereiten.«
In seinen Worten lag eine Schärfe, deren Bedeutung nur Lhiannon begreifen konnte. Mit Helves Ernennung zur Hohepriesterin und der damit verbundenen Besteigung des Orakelstuhls hatte sich ihre persönliche Beziehung zur
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