Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
Hauses der Priesterschülerinnen‹ verliehen. Und jetzt, als wäre selbst dieses Maß an Anerkennung eine Bedrohung für sie, hatte Helve ihre Rivalin angewiesen, mit Ardanos und den anderen Druiden zu ziehen, um Caratac in der Festung von Durovernon mit Gefechtszauber zu unterstützen, für den Fall, dass die Römer dort einfielen.
Und die standen bereits vor den Toren Britanniens. König Veric war vor Caratac zu seinem Patronus geflohen, dem römischen Kaiser. Und seither sammelten die Römer an der nördlichen Küste Galliens Vorräte und Männer. Caratac zog alle verfügbaren Stämme zusammen und rief auch die Druiden um Hilfe. Denn sollte sich mit den magischen Kräften der Druiden eine Invasion möglicherweise abwenden lassen, dann war jetzt sicherlich der richtige Zeitpunkt, auch diese Kräfte einzusetzen.
Da verstummte das flehentliche Gemurmel, und Boudicca fuhr zusammen. Ein Schauder aus Vorahnung und Angst lief ihr kalt über den Rücken. Zur Zeit der Tagundnachtgleiche befand sich die Welt genau zwischen der alten Jahreszeit und der neuen. Was man zu diesem Zeitpunkt tat, würde das Glück in der neuen Jahreszeit in die eine oder andere Richtung lenken. Aber wollten sie wirklich die Götter bemühen? Über die Herrin der Raben im mittäglichen Unterricht der Priesterschülerinnen zu sprechen war eine Sache, aber es war etwas völlig anderes, sie anzurufen, während sich bereits die Dunkelheit über das Land legte.
Der Erzdruide berührte mit einer der Fackeln das abgelagerte Holz, das auf dem Altar bereitlag und sogleich hell entflammte.
»Rabe des Kampfes«, rief die Hohepriesterin, und wie in einem einmütigen Stöhnen erwiderten die Priesterinnen: »Höre uns!«
Jungfrau, Weib, Geliebte -
Herrin der gespreizten Schenkel -
Beschwörerin, Braut des Schattens -
Wahrheitskünderin, Albtraumritterin -
Große Königin, die Siege schenkt -
Große Königin, die Tode bringt.
»Cathubodva! Große Königin! Höre uns!« Die Kehrreime wurden lauter und lauter, männliche und weibliche Stimmen trafen aufeinander, schaukelten sich immer lauter werdend gegeneinander auf.
Dein Fleisch ist Tod,
dein Trank das Blut des Lebens!
Nimm die Nahrung für deine Raben,
Herrin – nimm unsere Opfergabe!
Zwei der jüngeren Druiden traten vor, sie trugen eine kleine, pelzige Kreatur in den Händen, die zuckte und zappelte – ein Hase. Boudicca unterdrückte einen abergläubischen Schauder der Angst. Der Hase, der unter der Sense des Todes wieder aufersteht, war heilig. Ein Hase wurde niemals getötet oder gegessen – sollte er heute die Opfergabe sein? Nein, bestimmt würde man ihn an einen einsamen Ort bringen und der Göttin ganz und unversehrt schenken.
Doch da packte einer der Druiden das Tier bei den langen Ohren und hielt es am ausgestreckten Arm. Und im Feuerschein blitzte rot der Stahl der Klinge, als Helve dem Hasen die Kehle durchschnitt. Ein noch tieferes Rot besudelte ihre Hände, als das Blut zischelnd ins Feuer spritzte. Die Luft über den Flammen flirrte – vor lauter Rauch? Oder sah sie die Lebensenergie des Tieres? Boudiccas Nasenflügel bebten, als sie das verbrannte Fleisch roch und der ausgenommene Kadaver beiseitegelegt wurde.
»Nimm an das Blut aus den Herzen unserer Feinde und die Nieren ihres Heldenmuts!« Noch mehr stechende Rauchschwaden stiegen auf, als die Hohepriesterin eine Handvoll Kräuter in die Flammen warf. »Wirf den Schatten der Furcht und des Hasses über unsere Feinde, den Schatten des Meeres, den Schatten des Waldes, den Schatten im Geist … Wenn sie gen Britannien ziehen, dann flöße ihren Herzen Angst und Schrecken ein, jede Nacht und jeden Tag, auf dass sie allzeit davon verfolgt sein mögen!«
Helve drehte sich um, die Arme ausgebreitet, aber keiner rührte sich. Sie rief nicht ihre Körper, sondern ihre Seelen. Und aus zwei Dutzend Kehlen erschallte ein geeinter Schrei, die gebündelte Energie der Rufenden, welche die Priesterin in die flackernde Energie des Feuers leitete.
Über der versammelten Runde bildeten sich Rauchwolken, die abwechselnd berückende wie beängstigende Formen annahmen. Eine der Priesterinnen war ohnmächtig geworden. Eine andere sah Boudicca am Boden liegen, die Hände angstvoll ins Gras gekrallt, um sie ein wirrer Haufen in Weiß. Die anderen, die genauso kreidebleich im Gesicht waren wie sie selbst, sangen weiter. Helves Pupillen waren weiß umrandet, die Lippen zu einem entrückten Lächeln verzerrt.
»Ich bin es, Helve, die
Weitere Kostenlose Bücher