Avalon 04 - Die Hüterin von Avalon
denn wichtig?«, gab Boudicca gereizt zurück. »Ardanos liebt dich. Und? Das hat euch auch nicht glücklicher gemacht, keinen von euch beiden!«
Lhiannon blieb stehen. Tränen schnürten ihr die Kehle zu, als sie sich eingestand, dass Boudicca recht hatte mit dem, was sie sagte. Mit zögernden Schritten ging sie weiter, setzte sich auf einen zertrümmerten Wagen.
»Jetzt habe ich dich schon wieder verletzt!« Nun klang auch Boudiccas Stimme tränenerstickt. »Aber du musst verstehen – das letzte Mal, als ich hier gestanden habe, war dies noch das Heim eines großen Königs. Ich will nicht, dass mit der Feste meines Vaters das Gleiche passiert!«
Lhiannon sagte keinen Ton, und Boudicca setzte sich neben sie. »Ich bin zuversichtlich, dass Prasutagos das Wohl unseres Volkes am Herzen liegt. Und deshalb gehe ich ein Bündnis ein. Aber es wäre sehr viel leichter für mich, wenn ich wüsste, dass du mich trotzdem noch lieben wirst …«
»Ich werde zur Göttin beten, dass du Freude in deiner Pflicht findest«, wisperte Lhiannon und dachte bei sich: Auch wenn sie mir für die meine nur wenig davon beschert hat …
Boudicca nickte, und sie lagen sich weinend in den Armen.
NEUN
Nach den Jahren in der geschlossenen Gemeinschaft der Druiden in Oakhalls hatte Boudicca ganz vergessen, wie wunderschön es war, über das weite, grasige Land unter einem endlosen Himmel zu galoppieren. Gerade jetzt brauchte sie dieses freie Gefühl mehr denn je. Selbst Helve war zu ihren schlimmsten Zeiten nicht halb so nervtötend gewesen wie ihre Mutter derzeit, die ihr unaufhörlich mit allen möglichen Dingen in den Ohren lag, die sie tunlichst in ihr neues Heim mitnehmen sollte. Am morgigen Tag würden sie nach Dun Garo am Fluss Eels reisen. König Antedios hatte sich die Ehre nicht nehmen lassen, die Heirat zwischen seinem wichtigsten Unterkönig und der Tochter seines Erben auszurichten.
Aber würde sie solche Ausritte dann noch machen können? Würde Prasutagos ihr erlauben, allein über das weite, hügelige Land zu galoppieren? Die Festung seiner Stammessippe lag im Norden nahe dem Meer. Es war ein bisschen so wie damals, als sie auf die Druideninsel ging, nur dass der Umzug dieses Mal auf immer sein würde.
Es zuckte schmerzlich um ihren Mund, als ihr klar wurde, was sie wirklich an der ganzen Sache störte. Sie stammte aus einem Volk von Pferdezüchtern, kannte sich aus mit Aufzucht und Vermehrung, und sie wusste auch so halbwegs, was es mit der menschlichen Fortpflanzung auf sich hatte. Und nach ein paar ersten forschenden Berührungen, die sie mit Rianor ausgetauscht hatte, hatte sie auch eine ungefähre Ahnung davon, warum man sogar Spaß daran finden konnte. Es war also nicht so sehr der Liebesakt an sich, den sie fürchtete, sondern die Vorstellung, sich einem fremden Menschen hinzugeben.
Da warf ihr altes Pferd aus Kindheitstagen urplötzlich den Kopf herum und kam panisch erschrocken zum Stehen, als wie aus dem Nichts ein grauer Hase aufschoss. Boudicca atmete durch, sah ihm nach, bis er verschwunden war.
Seit Generationen hatte die ›Stammessippe der Hasen‹ hier auf dem sanft welligen Land Schafe und Pferde geweidet. Der sandige Boden speicherte gerade genug Wasser, um zwischen den Büscheln von Ginster und Heide auch Gras sprießen zu lassen. Dennoch hatte ihr Vater sich unlängst den Standort seiner Festung noch anderweitig zunutze gemacht und dort, wo der alte Fuhrweg in einer Furt durch zwei Bäche lief, eine Weberei errichtet, in der das von den Frauen versponnene Garn auch zu Tuch gewebt werden konnte.
Jetzt, gegen Ende der Erntezeit, leuchteten überall im Heideland purpurrote Heide und goldgelber Ginster. Die grünen Bäume am Saum der Flüsse, die nach Westen hin in das Sumpfland abflössen, färbten sich langsam in herbstlich bunten Farben. Dort, im Schutz der Bäume, lag auch der Heilige Hain mit dem Schrein der Andraste, die hier verehrt wurde, noch bevor die Prinzen der Belgen über das Meer gekommen waren.
Boudicca gab ihrem Pferd einen Kniestoß, und es trabte weiter über den Pfad, der sich zwischen den alten Grabhügeln hindurchschlängelte. Sie glitt vom Sattel und band die Zügel an einen Schlehdornbusch, sodass das Pferd am trockenen Gras schnuppern konnte.
Die Herbst-Tagundnachtgleiche war gerade vorbei. Auf einem der Hügel lag ein verdorrter Strauß aus Heide und Astern. Der stammte bestimmt von der alten Nessa, die alle Erzählungen kannte, welche sich um diesen Ort rankten. Boudicca
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