Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
leise. »Das ist keine schwere Aufgabe, mein Onkel und Gebieter… im Stall stehen nur noch wenige Pferde. Die besten Pferde verließen uns mit den Rittern und Euren Gefährten. Vielleicht wird sogar ein Pferd den Gral finden!«
»Oh, seid still«, sagte Gwenhwyfar. »Ihr dürft über die Gralssuche nicht spotten!«
»Weshalb nicht, Tante? Die Priester erklären uns immer wieder, daß wir die Schafe auf der Weide unseres Herrn sind. Für mich war ein Pferd schon immer ein edleres Tier als jedes Schaf, und wenn Schafe sich auf die Suche nach dem Heiligen Geist machen… wer kann also sagen, daß nicht das edlere Tier den Gral finden wird! Selbst ein altes Schlachtroß sucht vielleicht am Ende geistigen Trost. Wie sagt man, der Löwe wird eines Tages friedlich neben dem Lamm liegen…«
Artus lachte gequält. »Werden wir unsere Pferde wieder für den Krieg brauchen? Seit der Schlacht am Berg Badon herrscht Friede im Land…«
»Abgesehen von dem Feldzug gegen Lucius«, entgegnete Gwydion. »Und wenn ich etwas in meinem Leben gelernt habe, dann das, Friede kann nicht von Dauer sein. An der Küste landen die wilden Nordmänner in ihren Drachenschiffen. Wenn das Volk Artus' Legionen zu Hilfe rufen will, gibt man ihm zur Antwort: ›Des Königs Gefährten sind auf der Suche nach ihrem Seelenfrieden davongeritten!‹ Deshalb erbittet das Volk Hilfe bei den Sachsenkönigen im Süden. Aber wenn die Suche nach dem Gral zu Ende ist, werden sie sich zweifellos wieder Artus und Camelot zuwenden… ich habe das Gefühl, wenn dieser Tag kommt, werden Pferde knapp sein. Lancelot wird von dem Gral und seinen anderen Taten
so
sehr in Anspruch genommen, daß er kaum Zeit hat, sich um die Ställe des Königs zu kümmern.«
»Nun, ich habe Euch gesagt, Ihr sollt seinen Platz einnehmen«, erwiderte Artus. Gwenhwyfar bemerkte, daß seine Stimme gereizt und alt klang, ohne die frühere Stärke. »Als Oberster meiner Reiterei habt Ihr die Macht, in meinem Namen Pferde zu erwerben. Lancelot verhandelte früher mit Pferdehändlern aus dem Süden…«
»Dann werde ich es auch tun«, erklärte Gwydion. »Früher kamen die besten Pferde aus Spanien. Aber jetzt, mein Onkel und Gebieter, kommen sie von noch weiter her. Die Spanier kaufen selbst Pferde aus einem Wüstenland in Afrika. Jetzt beginnen diese Sarazenen sogar Spanien zu überrennen… das hörte ich von dem Sarazenenritter Palomides, der eine Zeitlang hier Gast war und dann weiterritt, um Abenteuer bei den Sachsen zu suchen. Er ist kein Christ. Er wunderte sich, daß all diese Ritter sich auf die Suche nach dem Gral machten, wenn im Land Krieg herrscht.«
»Ich habe mit Palomides gesprochen«, sagte Artus, »er besitzt ein Schwert aus spanischem Stahl… dieses Schwert hätte ich auch nicht verachtet, obwohl ich glaube, es ist nicht besser als Excalibur. In unserem Land gibt es kein Schwert mit einer so scharfen Klinge. Ich bin froh, daß ich einem solchen Schwert nie auf dem Turnierplatz begegnet bin. Die Nordmänner kämpfen mit großen Streitäxten und Keulen. Aber ihre Waffen sind nicht einmal so gut wie die der Sachsen.«
»Aber sie sind gefürchtete Kämpfer«, erklärte Gwydion. »Sie geraten beim Kampf in Raserei wie früher die Stämme in Lothian. Sie werfen in der Schlacht ihre Schilde beiseite… nein, mein König, wir haben vielleicht lange Zeit Frieden gehabt. Aber so wie die Sarazenen allmählich Spanien überrennen, so drängen die Nordmänner und die wilden Iren kampfbereit an unsere Küsten. Irgendwann einmal werden die Sarazenen für Spanien ebenso gut sein wie die Sachsen es für dieses Land sind…«
»Gut für dieses Land?« Artus sah den jungen Mann erstaunt an. »Was höre ich da, Neffe?«
»Als die Römer uns verließen, mein Gebieter, lebten wir am Ende der Welt allein mit den halbwilden Stämmen. Der Krieg mit den Sachsen zwang uns, über uns hinauszuwachsen«, erklärte er. »Wir trieben Handel mit der Bretagne, mit Spanien und den Ländern im Süden. Wir mußten Waffen und Pferde erstehen und neue Städte bauen… Euer Camelot ist ein guter Beweis dafür. Ich spreche nicht einmal vom Wirken der Priester. Sie sind inzwischen zu den Sachsen gezogen und haben aus den wilden, barbarischen Stämmen, die heidnische Götter anbeteten, zivilisierte Menschen mit Städten gemacht, die selbst Handel treiben. Ihre Könige sind Eure Vasallen! Worauf sonst hat das ganze Land gewartet? Jetzt haben sogar sie Klöster und gelehrte Männer, die Bücher schreiben und
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