Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
schon Nacht, Gareth, und deine Soldaten müssen in die Zelte«, erklärte Morgause entschlossen. Der Junge schob schmollend ein Bündel Stöckchen in eine Ecke, steckte aber ein oder zwei behutsam in die Falten seines Kittels; sie waren dicker als die anderen.
Morgaine hatte sie vor einigen Monaten geschnitzt und mit rotem Beerensaft gefärbt; sie hatten entfernte Ähnlichkeit mit Männern in Helm und Rüstung und einer roten Tunika.
»Machst du mir noch einen römischen Ritter, Morgaine?«
»Jetzt nicht«, antwortete sie, »meine Hände sind starr vor Kälte und Schmerzen. Vielleicht morgen.«
Gareth kam verdrießlich herüber, baute sich vor ihr auf und fragte: »Wann bin ich endlich alt genug, um mit Vater und Agravain auf die Jagd zu gehen?«
»Das wird noch ein paar Jahre dauern, glaube ich«, antwortete Morgaine lächelnd. »Du mußt noch etwas wachsen, damit du nicht in einer Schneewehe versinkst.«
»Ich bin groß«, sagte der Kleine und reckte sich. »Siehst du, Morgaine, wenn du sitzt, bin ich größer als du!« Mißmutig trat er gegen das Stuhlbein. »Ach, hier drinnen ist nichts zu tun!«
»Wenn du willst«, bot Morgaine ihm an, »kann ich dir das Spinnen beibringen. Dann hast du immer etwas zu tun.« Sie nahm Beths Spindel und Rocken hoch und streckte sie ihm entgegen; doch der Junge wich mit einer Grimasse zurück. »Ich werde ein Ritter! Und Ritter müssen nicht spinnen!«
»Wie schade«, sagte Beth ärgerlich. »Denn sie würden vielleicht nicht so viele Umhänge zerreißen, wenn sie wüßten, welche Arbeit es ist, sie zu fertigen.«
»Aber wie man sich erzählt, gab es einmal einen Ritter, der sich auf das Spinnen verstand«, sagte Morgaine und breitete die Arme aus. »Komm her… nein, auf die Bank, Gareth. Du bist zu schwer, um wie ein Hündchen auf meinem Schoß zu sitzen. Vor langer Zeit, noch ehe die Römer kamen, gab es einen Ritter, der hieß Achilles. Auf ihm lag ein Fluch. Eine alte Zauberin weissagte seiner Mutter, er würde auf dem Schlachtfeld sterben. Deshalb zog sie ihm Röcke an und verbarg ihn bei den Frauen. Dort lernte er spinnen und weben und alles, was sich für ein junges Mädchen ziemt.«
»Und starb er auf dem Schlachtfeld?«
»Ja. Er starb bei der Belagerung von Troja. Damals rief man alle Ritter und Krieger zusammen, um die Stadt einzunehmen. Achilles schloß sich ihnen an und war der beste aller Ritter. Man erzählt, daß er die Wahl hatte, entweder ein langes Leben in Sicherheit zu führen und als alter Mann im Bett zu sterben und vergessen zu werden, oder in jungen Jahren, ruhmbedeckt zu fallen. Er entschied sich für den Ruhm, und noch heute erzählen sich die Männer seine Geschichte. Er kämpfte gegen Hector, einen Ritter aus Troja,.. Ectorius in unserer Sprache…«
»Der Ritter Ectorius, bei dem unser König Artus aufgewachsen ist?« fragte der kleine Junge mit großen Augen.
»Ganz sicher nicht, denn diese Geschichte ereignete sich vor aberhundert Jahren. Aber vielleicht war er einer seiner Ahnen.«
»Wenn ich einmal am Hof und einer von König Artus' Rittern bin«, erklärte Gareth atemlos, »werde ich der beste Kämpe in der Schlacht sein, und bei den Turnieren werde ich alle Preise gewinnen! Was geschah dann mit Achilles?«
»Ich erinnere mich nicht mehr. Ich habe die Geschichte vor langer Zeit an Uthers Hof gehört«, erwiderte Morgaine und preßte ihre Hände in den Rücken, als habe sie Schmerzen.
»Erzähle mir von Artus' Rittern, Morgaine. Du hast Lancelot wirklich gesehen, nicht wahr? Ich sah ihn bei der Krönung… hat er Drachen getötet? Erzähle es mir, Morgaine.«
»Laß Morgaine bitte in Ruhe, Gareth. Es geht ihr nicht gut«, unterbrach ihn Morgause. »Lauf in die Küche und sieh, ob du ein paar Gerstenkuchen findest.«
Der Kleine wirkte enttäuscht. Aber er zog seinen geschnitzten Ritter aus der Tunika, ging davon und unterhielt sich leise mit ihm: »Also, Ritter Lancelot, wir reiten jetzt aus und werden alle Drachen am See töten…«
»Er redet nur von Krieg und Kämpfen«, sagte Morgause unwillig, »sein Lancelot geht ihm über alles. Als ob es nicht genug wäre, daß Gawain mit Artus in den Krieg zieht. Ich hoffe, es wird Frieden im Land herrschen, wenn Gareth erwachsen ist.«
»Dann wird Frieden sein«, erwiderte Morgaine geistesabwesend, »aber trotzdem wird er von der Hand seines besten Freundes sterben…«
»Wie?!« schrie Morgause und starrte sie an. Aber die Augen der jüngeren Frau blickten ins Leere. Morgause
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