Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
und Zorn. Sie ant
wortete: »Nein, es ist alles, wie es sein soll… soweit ich weiß. Ich bin nicht in die Geheimnisse des königlichen Schlafgemaches eingeweiht!«
Lancelot errötete – in der Dunkelheit wirkte es wie ein Schatten auf seinem Gesicht. Er wendete den Kopf zur Seite.
Sie sagte: »Ich konnte nicht schlafen… wieso fragst du, was ich hier tue, wenn du selbst nicht ruhst? Oder hat Artus dich zum Nachtwächter bestellt?«
Sie ahnte Lancelots Lächeln. »Ebensowenig wie dich! Ich wurde unruhig, als alles um mich herum in Schlaf versank… ich glaube, der Mond liegt mir im Blut.«
Das hatte sie auch zu Elaine gesagt, und sie sah darin ein gutes Omen… ein Zeichen, daß ihre Gedanken aufeinander eingestimmt waren. Sie reagierten auf den Ruf des anderen, so wie die Saite einer Harfe in Schwingungen gerät, wenn auf einer anderen gespielt wird.
Lancelot sprach leise in die Dunkelheit: »In solchen Nächten bin ich unruhig und denke an die vielen Nächte im Feld…«
»Und wie alle Krieger wünschst auch du dich dorthin zurück.«
Er seufzte: »Nein… obwohl es vielleicht eines Ritters nicht würdig ist, von morgens bis abends an den Frieden zu denken.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Morgaine freundlich. »Denn weshalb zieht man in den Krieg, wenn man nicht darauf hofft, daß danach im ganzen Land Friede herrscht? Ein Krieger, der sein Handwerk zu sehr liebt, wird nur noch eine Waffe zum Töten. Was sonst brachte die Römer auf unsere friedliche Insel… doch nur der Drang zu erobern und Krieg um des Krieges willen zu führen!«
Lancelot lächelte. »Dein Vater war einer dieser Römer, Base… und auch meiner.«
»Ich denke eher an die friedlichen Stämme, die nichts anderes wünschten, als in Frieden ihre Felder zu bestellen und die Göttin zu verehren. Ich bin eine Tochter vom Volk meiner Mutter… und deiner.«
»Ja, aber diese großen Helden aus früherer Zeit, von denen wir sprachen… Achilles, Alexander… sie sahen im Kampf die wahre Aufgabe des Mannes. Selbst heute und auf diesen Inseln denken alle
Männer zuerst an den Kampf und sehen im Frieden nur eine kurze Unterbrechung… es ist die Zeit der Frauen.«
Er seufzte. »Welch schwere Gedanken… kein Wunder, daß wir nicht schlafen können, Morgaine. Heute nacht würde ich alle großen Waffen, die je geschmiedet wurden, und alle Heldenlieder über deinen tapferen Achilles und Alexander für einen Apfel von den Bäumen von Avalon geben…« Er wendete sich ab.
Morgaine ließ ihre Hand in seine gleiten. »Ich auch, Vetter.«
»Ich weiß nicht, weshalb ich mich nach Avalon sehne… ich habe nicht lange dort gelebt«, sagte Lancelot nachdenklich. »Und doch ist es für mich der schönste Platz auf der Erde… wenn es tatsächlich auf dieser Erde liegt. Ich glaube, die Magie der Alten Druiden entrückte es aus dieser Welt, denn es war für uns unvollkommene Menschen zu schön und es mußte wie ein Traum vom Himmel sein, den wir unmöglich…« Mit einem kurzen Lachen unterbrach er sein Schwärmen. »Mein Beichtvater würde solche Dinge nicht gerne hören.«
Morgaine lachte leise: »Oh, bist du ein Christ geworden, Lance?«
»Ich fürchte, kein guter Christ. Aber ihr Glaube erscheint mir so einfach und gut. Ich wünschte, ich könnte daran glauben… sie sagen: Glaube an das, was du nicht gesehen hast. Bekenne dich zu dem, was du nicht kennst, das ist eine größere Tugend, als zu wissen, was man gesehen hat und kennt. Wie man sagt, tadelte selbst Jesus nach seiner Auferstehung von den Toten einen Mann, der seine Hände in die Wunden Christi legen wollte, um sich davon zu überzeugen, daß er kein Geist und kein Gespenst war, und sagte: Gesegnet sind alle, die glauben, ohne zu sehen.«
»Aber wir werden auferstehen«, sagte Morgaine sehr leise, »immer und immer wieder. Wir kommen nicht nur einmal auf diese Erde und gehen dann in ihren Himmel oder in ihre Hölle. Wir leben und leben immer wieder, bis wir alle wie die Götter sind.«
Er senkte den Kopf. Ihre Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, und sie sah ihn jetzt deutlich – die zarte Linie der Schläfe, die sich an dem Auge nach innen wölbte, die schmalen, langen Backenknochen, die weichen, dunklen Brauen und darüber das lockige Haar. Wieder schnitt ihr seine Schönheit ins Herz.
Lancelot sagte: »Ich habe vergessen, daß du eine Priesterin bist und glaubst…«
Ihre Hände lagen leicht ineinander verschlungen. Sie spürte die zarte Bewegung seiner Finger und
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