Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
ließ seine Hand los. »Manchmal weiß ich nicht, was ich glaube. Vielleicht bin ich zu lange nicht mehr in Avalon gewesen.«
»Auch ich weiß nicht, woran ich glaube«, bekannte er. »Aber in diesem langen, langen Krieg habe ich soviele Männer, Frauen und kleine Kinder sterben sehen. Mir kommt es vor, als kämpfe ich schon, seit ich ein Schwert tragen kann. Wenn ich sehe, wie sie sterben, denke ich, der Glaube ist eine Einbildung. In Wahrheit sterben wir, wir alle, wie die Tiere. Wir sind nicht mehr als… gemähtes Gras oder der Schnee vom letzten Jahr.«
»Aber auch diese Dinge kehren wieder«, flüsterte Morgaine. »Wirklich? Oder ist
das
die Einbildung!«
Es klang bitter, als er sagte: »Ich glaube, hinter alldem liegt kein Sinn… das Gerede von Göttern und Göttinnen… das alles sind nur Geschichten, um Kinder zu trösten. Oh, Morgaine! Wieso reden wir über solche Dinge? Du solltest schlafen gehen, Base, und ich auch…«
»Wenn du willst, gehe ich«, sagte sie. Als sie sich zum Gehen wandte, durchströmte sie ein Glücksgefühl, denn Lancelot griff nach ihrer Hand.
»Nein, nein… wenn ich alleine bin, überfallen mich immer solche Gedanken und Zweifel. Wenn sie schon kommen müssen, will ich sie lieber laut aussprechen, denn dann höre ich, wie albern sie sind. Bleib bei mir, Morgaine.«
»Solange du willst«, flüsterte sie und spürte Tränen in ihren Augen. Sie legte ihre Arme um seine Hüften, seine starken Arme umschlossen sie fest… dann lockerte er reumütig seinen Griff. »Du bist so klein… ich hatte vergessen, wie klein du bist… ich könnte dich mit meinen Händen zerbrechen, Morgaine…« Er tastete nach ihren Haaren, die sie lose unter dem Schleier trug, streichelte sie und wickelte eine Strähne
um seine Finger. »Morgaine, Morgaine… manchmal glaube ich, daß du zu dem Wenigen in meinem Leben zählst, das gut ist… wie eine Frau aus dem Alten Volk der Feen, von denen man in den Legenden erzählt… die Elfe aus dem unbekannten fernen Land, die dem Sterblichen Worte der Schönheit und der Hoffnung gibt und dann wieder zu den Inseln im Westen zurückkehrt, um nie wiederzukommen…«
»Aber ich werde nicht weggehen«, flüsterte sie.
»Nein.« Auf einer Seite des gepflasterten Hofes stand ein Block, auf dem manchmal die Männer saßen, wenn sie auf ihre Pferde warteten.
Er zog sie dorthin und sagte: »Setze dich hier neben mich.« Dann zögerte er: »Nein, das ist kein Platz für eine Dame…«, und begann zu lachen, »noch war es der Stall an jenem Tag. Erinnerst du dich, Morgaine?«
»Ich glaubte, du hättest es vergessen, nachdem dieses teuflische Pferd dich…«
»Du solltest es nicht als teuflisch bezeichnen. Es hat mehr als einmal Artus das Leben in der Schlacht gerettet, und er wird es sicher für seinen Schutzengel halten«, entgegnete Lancelot. »Oh, was war das für ein unglückseliger Tag. Es wäre Unrecht gewesen, dich so zu nehmen. Ich habe mir oft gewünscht, dich um Verzeihung zu bitten. Ich wollte hören, daß du mir vergibst und mir nicht böse bist…«
»Böse?« Sie sah zu ihm auf, und ihre Gefühle überwältigten sie. »Böse?« fragte sie wie betäubt noch einmal. »Vielleicht nur auf jene, die uns unterbrachen…«
»Ist das wahr?« Seine Stimme klang weich. Er nahm ihr Gesicht in die Hände und preßte langsam seine Lippen auf ihre. Morgaine überließ sich ihm und öffnete ihren Mund unter seinem Kuß. Er war nach römischer Sitte glatt rasiert; sie spürte das rauh-weiche Gesicht an ihrer Wange und seine warme, süße Zunge, die ihren Mund erforschte. Er zog sie enger an sich, hob sie beinahe hoch und stöhnte leise. Der Kuß nahm kein Ende, bis sie sich widerstrebend freimachen mußte, um Luft zu holen. Er lachte weich, voll Verwunderung. »Da sind wir wieder… soweit sind wir schon einmal gekommen… und dieses Mal werde ich jedem den Kopf abschlagen, der uns unterbricht… aber wir stehen hier vor dem Stall und küssen uns wie ein Pferdebursche die Küchenmagd. Was jetzt, Morgaine? Wohin gehen wir?«
Sie wußte es nicht… es schien keinen sicheren Platz für sie zu geben. Sie konnte ihn nicht mit in ihr Gemach nehmen, wo sie mit Elaine und vier anderen Hofdamen schlief. Lancelot hatte erklärt, er schlafe bei den Soldaten. Irgend etwas in ihr sagte: Das
nicht!
Die Schwester des Königs und der Freund des Königs sollten nicht nach einem Heustapel suchen müssen. Wenn sie wirklich soviel füreinander empfanden, war es richtig, bis zum Morgen
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