Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
über ihren Leib, streichelten und beruhigten sie. Aber Morgaine wollte jetzt nicht besänftigt werden. Alles in ihr schrie nach Erfüllung, schrie vor Hunger und Verlangen! Sie versuchte zu sprechen, ihn anzuflehen, aber sie brachte nur ein schluchzendes Wimmern hervor.
Lancelot hielt sie sanft in seinen Armen, streichelte sie noch immer. »Still, nein, still, Morgaine, warte, nein, nicht mehr… ich will dir nicht weh tun oder dich entehren. Das darfst du nicht glauben… bleib ruhig, bleib in meinen Armen liegen. Ich werde dich glücklich machen…« Verwirrt und verzweifelt ließ sie ihn gewähren. Aber selbst während ihr Körper nach dem Genuß schrie, den er ihr mit seinen Händen verschaffte, stieg ein befremdlicher Zorn in ihr auf, der immer stärker wurde. Wo blieb der Fluß des Lebens zwischen ihren beiden Körpern, dem männlichen und dem weiblichen… die Fluten der Göttin, die sich aufstauten und sie mitrissen? Er schien sich gegen diese Kraft zu stemmen, schien ihre Liebe für ihn zum Spott, zum Spiel, zu einem
als ob
zu erniedrigen. Er nahm daran keinen Anstoß. Für ihn schien es so richtig zu sein. Sie hatten beide ihren Genuß… als ginge es nur um ihre Körper. Als gäbe es keine Vereinigung, die das ganze Leben mit einbezog. Der Priesterin, die in Avalon erzogen und auf den großen Gezeitenstrom von Leben und Ewigkeit eingestimmt war, erschien dieses vorsichtige, sinnliche und bewußte Liebesspiel beinahe als Lästerung – die Weigerung, sich dem Willen der Göttin zu unterwerfen. Auf den Höhen des Genusses, in den sich das Gefühl der Demütigung mischte, begann Morgaine ihn zu entschuldigen. Lancelot war nicht in Avalon aufgewachsen, sondern einer Pflegemutter übergeben worden, war an einen Hof und dann zu den Soldaten gekommen.
Kampf und Krieg bestimmten sein Leben. Vielleicht wußte er es nicht besser, vielleicht kannte er auch nur Frauen, die ihm nicht mehr als eine kurze körperliche Entspannung verschafften, oder nur Frauen, die mit der Liebe spielten und nichts geben wollten… er hatte gesagt:
Ich will dir nicht weh tun oder dich entehren,
als glaube er wahrhaftig, an ihrer Vereinigung sei etwas Falsches oder Unehrenhaftes. Lancelot stöhnte auf und drehte sich zur Seite, berührte sie aber noch immer; seine Finger glitten zart über die weichen Haare zwischen ihren Schenkeln. Er küßte ihren Nacken und ihre Brüste. Sie schloß die Augen, drückte sich zornig und verzweifelt an ihn –
ja, ja, vielleicht hatte sie nicht mehr verdient!
Sie hatte sich wie eine Hure benommen, indem sie so zu ihm kam… vielleicht geschah es ihr recht, daß er sie nicht besser als eine Hure behandelte… und sie war so versessen auf ihn, daß sie sich nicht dagegen wehrte, als er sie so nahm.
Er hätte mit ihr tun können, was er wollte. Sie hätte sich nicht gewehrt; sie wußte wohl, selbst das würde sie verlieren, wenn sie mehr verlangte… sie begehrte ihn, sie hungerte nach ihm mit einem unerträglichen Sehnen, von dem sie wußte, daß es nie gestillt werden würde. Doch er begehrte sie nicht… sein Herz verzehrte sich immer noch nach Gwenhwyfar oder nach einer Frau, die er nehmen konnte, ohne mehr von sich geben zu müssen als diese leere Berührung zweier Körper… eine Frau, die damit zufrieden war, sich ihm zu schenken und von ihm nicht mehr verlangte als Genuß. In die Qual und den Hunger ihrer Liebe mischte sich ein Anflug von Verachtung. Und darin lag die größte Qual… sie wußte, sie liebte ihn auch jetzt nicht weniger… sie würde ihn immer lieben, wie in diesem Augenblick des Hungers und der Verzweiflung. Morgaine richtete sich auf, zog ihr Kleid über und schnürte es mit zitternden Fingern. Schweigend beobachtete Lancelot sie und half ihr dabei. Nach langem Schweigen sagte er traurig: »Wir hätten es nicht tun sollen, meine liebe Morgaine. Bist du mir böse?«
Sie konnte nicht antworten. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Schließlich entrang sie sich die Worte: »Nein… nicht böse«, aber sie wußte: Eigentlich sollte sie die Stimme erheben, ihn anschreien und von ihm fordern, was er ihr nicht geben konnte… vielleicht auch keiner anderen Frau. »Du bist meine Base und meine Verwandte… aber es ist nichts Schlimmes geschehen…«, sagte er mit unsicherer Stimme. »Wenigstens muß ich mir nicht vorwerfen… dich vor dem ganzen Hof zu entehren… um alles in der Welt würde ich das nicht tun… glaube mir, Morgaine… ich liebe dich…«
Sie konnte ihr Schluchzen nicht
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