Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
länger unterdrücken. »Lancelot, ich bitte dich im Namen der Göttin, du darfst so nicht sprechen… was ist denn schon geschehen? Was wir uns beide ersehnten, ist im Sinne der Göttin!«
Verzagt antwortete er: »Du sprichst von der Göttin und solch heidnischen Dingen… du machst mir beinahe Angst, Morgaine. Ich wollte mich von der Sünde fernhalten, und trotzdem habe ich dich mit Lust und Begierde angesehen… ich wußte wohl, es war nicht richtig.« Er zog sich mit zitternden Händen an. Schließlich sagte er mit erstickter Stimme: »Es scheint mir eine größere Todsünde zu sein, als es wahrscheinlich ist… wenn du nur nicht so wie meine Mutter wärst, Morgaine…«
Es traf sie wie ein Schlag ins Gesicht… ein grausamer, hinterhältiger Schlag. Einen Augenblick lang konnte sie nicht sprechen. Dann schien der ganze Zorn der beleidigten Göttin wie ein Blitz in sie zu fahren. Sie spürte, wie sie sich aufrichtete, wuchs… sie wußte, der Glanz der Göttin kam über sie wie auf der Barke von Avalon. So klein und unbedeutend sie sonst war, hatte sie doch das Gefühl, drohend vor ihm aufzuragen. Sie sah, wie der starke Ritter, der Oberste der königlichen Legion klein und erschrocken vor ihr zurückwich, so klein wurde wie alle Männer im Angesicht der Göttin.
»Du bist… du bist ein Narr, Lancelot! Du bist es noch nicht einmal wert, daß man dich verflucht!«
Morgaine drehte sich um und ging. Er saß da, die Hose noch nicht ganz hochgezogen und starrte ihr erstaunt und beschämt nach. Ihr Herz klopfte wie rasend. Halb hatte sie gewünscht, ihn streitsüchtig wie eine Möwe anzuschreien, halb wollte sie zusammenbrechen, gequält und gepeinigt weinen und ihn um die Liebe anflehen, die er ihr verweigerte, die er zurückwies und damit die Göttin in ihr beleidigte… Gedankenfetzen jagten Morgaine durch den Kopf – sie dachte an eine alte Geschichte: Ein Mann überraschte die Göttin und wies sie zurück… Sie ließ ihn von ihren Jagdhunden zerreißen… und Morgaine war traurig darüber, daß sich der Traum vieler Jahre erfüllt und in Staub und Asche aufgelöst hatte.
Ein Christenpriester würde sagen: Das ist der Lohn der Sünde. Ich habe es oft genug von Igraines Kirchenmann gehört, ehe ich nach Avalon kam. Bin ich mehr Christin, als ich weiß?
Ihr Herz schien zu zerspringen, denn ihre Liebe lag in Trümmern. In Avalon wäre das nie geschehen… wer sich der Göttin auf diese Weise näherte, würde nie wagen, sich ihrer Macht zu widersetzen… Morgaine ging erregt auf und ab; in ihren Adern loderte ein ungelöschtes Feuer. Niemand außer einer Priesterin der Göttin konnte verstehen, was sie empfand.
Viviane,
dachte sie sehnsüchtig,
Viviane würde mich verstehen oder Raven… jede von uns, die im Haus der Jungfrauen aufgewachsen ist… warum habe ich mich all diese Jahre von der Göttin ferngehalten?
Morgaine erzählt…
Drei Tage später gab König Artus mir die Erlaubnis, seinen Hof Caerleon zu verlassen und nach Avalon zu reiten. Ich sagte nur, ich sehne mich nach der Insel und nach meiner Pflegemutter Viviane. In diesen Tagen wechselte ich mit Lancelot die täglichen Höflichkeiten, wenn wir ein Zusammentreffen nicht vermeiden konnten. Selbst dabei stellte ich fest, daß er meinem Blick auswich. Ich war zornig und gedemütigt. Ich machte Umwege und tat alles, ihm nicht zu begegnen.
Ich nahm ein Pferd und ritt durch die Hügel nach Osten. Ich kehrte viele Jahre nicht nach Caerleon zurück und erfuhr auch nicht, was an König Artus
'
Hof geschah… aber das ist eine andere Geschichte.
Im Sommer des nächsten Jahres sammelten sich die Sachsen vor der Küste. Artus und seine Ritter verbrachten das ganze Jahr damit, ein Heer aufzustellen für die Schlacht, von der sie wußten, daß sie kommen mußte. Artus führte seine Männer in den Kampf und trieb die Sachsen zurück. Aber es war nicht die alles entscheidende Schlacht gewesen, die ihm den endgültigen Sieg brachte, den er so erhoffte. Die Sachsen mußten große Verluste hinnehmen, und es würde länger als ein Jahr dauern, bevor sie sich wieder erholten. Aber Artus hatte nicht genug Pferde und Soldaten, um sie endgültig und für alle Zeiten zu schlagen. Und in dieser Schlacht wurde er verwundet. Es schien keine schlimme Wunde zu sein, aber sie entzündete sich und eiterte. Er mußte einen großen Teil des Herbstes im Bett verbringen – die ersten Schneeflocken trieben über die Mauern von Caerleon, ehe er, auf einen Stock gestützt, im
Weitere Kostenlose Bücher