Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
begann zu weinen. Igraine legte besorgt die mageren Hände auf die Hände der Jüngeren.
»Wie kommt das, ich gebe dir gute Nachricht, und du weinst, mein Kind?«
Jetzt wird sie denken, ich will kein Kind, und ich kann nicht ertragen, daß sie schlecht von mir denkt…
Gwenhwyfar antwortete mit bebender Stimme: »In all den Jahren, in denen ich verheiratet bin, hatte ich nur zweimal Grund, mich für schwanger zu halten. Und ich verlor das Kind nach einem oder zwei Monaten. Sagt mir, Herrin, habt Ihr…« Es schnürte ihr die Kehle zu, und sie wagte nicht weiterzusprechen:
Sag mir, Igraine… werde ich dieses Kind zur Welt bringen? Hast du mich mit Artus
'
Kind an der Brust gesehen?
Was würde ihr Priester denken, wenn sie sich auf Zauberei einließ? Igraine tätschelte ihr die Hand: »Ich wünschte, ich könnte dir mehr sagen. Aber das Gesicht kommt und geht nach Belieben. Gott gebe, daß es zu einem guten Ende kommt. Vielleicht sehe ich deshalb nicht, weil ich nicht mehr hier sein werde, um zu erleben, daß dein Sohn geboren wird… nein, nein, Kind! Weine nicht!« bat sie. »Seit Artus' Hochzeit bin ich bereit zu gehen. Ich würde gerne deinen Sohn erleben. Ich würde gerne Morgaines Kind in den Armen halten, wenn sie eines haben sollte… aber Uther ist nicht mehr, und den Meinen geht es gut. Vielleicht erwartet mich Uther dort… oder die anderen Kinder, die ich bei der Geburt verloren habe… und wenn nicht…«, sie zuckte die Schultern. »Ich werde es nie wissen.«
Igraine schloß die Augen, und Gwenhwyfar dachte:
Ich habe sie erschöpft.
Schweigend blieb sie sitzen, bis die Kranke eingeschlafen war, und ging dann leise in den Garten.
Gwenhwyfar fühlte sich wie betäubt. Sie hatte wirklich nicht daran gedacht, daß sie schwanger sein könnte. Wenn sie überhaupt an etwas gedacht hatte, dann nur, daß die anstrengende Reise ihre Tage durcheinandergebracht hatte… in den ersten drei Jahren ihrer Ehe hielt sie sich jedesmal für schwanger, wenn die Blutungen verspätet einsetzten. Und in dem Jahr, als Artus zuerst auf dem langen Feldzug war und dann in der Schlacht von Celidon Wood verwundet wurde und zu schwach war, bei ihr zu liegen, kamen solche Unregelmäßigkeiten ebenfalls vor – schließlich wußte sie, daß ihre monatlichen Rhythmen unregelmäßig waren: Sie ließen sich nicht nach dem Mond berechnen, denn manchmal verstrichen zwei oder drei Monate ohne das geringste Anzeichen.
Aber jetzt, nach Igraines Worten, wunderte sie sich, warum sie nicht früher daran gedacht hatte – es kam ihr nicht in den Sinn, Igraines Behauptung zu bezweifeln. Doch etwas in Gwenhwyfar sagte:
Zauberei!
Und eine leise Stimme erinnerte sie hartnäckig:
All das sind teuflische Dinge und haben keinen Platz im Haus der heiligen Frauen.
Aber eine andere Stimme sagte:
Wieso soll es etwas Schlechtes sein, mir das zu sagen?
Es glich eher, so dachte sie, dem Engel, der zur Jungfrau Maria geschickt wurde, um ihr die Geburt ihres Sohnes zu verkündigen… Gwenhwyfar ergriff lähmende Furcht über ihre Anmaßung; dann begann sie bei der Vorstellung, in der alten, sterbenden Igraine den Engel Gottes zu sehen, zu kichern. In diesem Augenblick läutete die Glocke zum Gebet. Gwenhwyfar war zwar ein Gast und unterlag nicht den Klosterregeln, aber sie ging in die Kapelle der Schwestern und kniete sich auf dem gewohnten Platz unter den Besuchern. Sie achtete kaum auf den Gottesdienst, denn sie betete mit Leib und Seele das inbrünstigste Gebet ihres Lebens: Es
ist geschehen… die Antwort auf all meine Gebete… Oh, ich danke dir, Gott, auch dir, Christus, und der Gesegneten Jungfrau! Artus hatte unrecht. Nicht er hat versagt. Es war nicht notwendig …
Wieder überfiel sie die lähmende Scham, wie damals, als er
das
zu ihr gesagt, ihr die Erlaubnis gegeben hatte, ihn zu betrügen…
und was war ich damals für eine schlechte Frau, daß ich es auch nur in Betracht ziehen konnte.. .
Aber nun hatte Gott sie trotz all ihrer Sünden belohnt. Gwenhwyfar hob den Kopf und sang das
Magnificat
so inbrünstig, daß die Äbtissin sie scharf mißbilligend ansah.
Sie wissen nicht, warum ich so dankbar bin… sie wissen nicht, für wieviel ich dankbar sein muß… Aber sie wissen auch nicht, wie schlecht ich war, denn ich dachte hier, an diesem heiligen Ort, an den einen Mann, den ich liebe…
Und in ihrer Freude schien sie plötzlich wieder Schmerz zu empfinden:
Jetzt wird er mich mit dickem Leib erleben. Er wird mich für häßlich und plump
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