Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
»Zweifellos möchtet Ihr im Brennpunkt der Ereignisse stehen, Griflet. Aber man hat Euch diese Aufgabe gegeben, um die Euch niemand beneidet«, erklärte er. »Habt Ihr vielleicht einen Becher Wein und etwas Brot für mich? Ich werde heute nacht noch weiterreiten, damit ich Tintagel im Morgengrauen erreiche. Meine Botschaft ist für Marcus bestimmt, dem Feldherrn von Cornwall. Er muß sich uns mit seinen Rittern anschließen. Vielleicht ist dies die große Schlacht, die Taliesin vorausgesagt hat, bei der wir entweder alle sterben, oder die Sachsen ein für allemal von der Insel treiben! Aber dazu muß jeder Mann an König Artus' Seite kämpfen.«
»Selbst ein Teil der Bündnistruppen wird jetzt König Artus unterstützen«, sagte Griflet. »Reitet weiter, Gawain, wenn Ihr müßt, und Gott sei mit Euch.«
Die beiden Ritter umarmten sich. »So Gott will, sehen wir uns wieder, mein Freund.«
Gawain verbeugte sich vor Gwenhwyfar. Sie streckte ihm die Hand entgegen und sagte: »Noch eine Frage… geht es meiner Tante Morgause gut?«
»So gut wie immer, Herrin.«
»Und meiner Schwägerin Morgaine… befindet sie sich an Morgauses Hof und in Sicherheit?«
Gawain wirkte überrascht. »Morgaine? Nein, meine Königin. Meine Base Morgaine habe ich seit vielen Jahren nicht gesehen. Sie hat uns in Lothian ganz gewiß nicht besucht, sonst hätte meine Mutter etwas gesagt«, erwiderte Gawain trotz seiner Ungeduld höflich. »Aber nun muß ich weiter.«
»Gott sei mit Euch«, wünschte ihm Gwenhwyfar und sah den Männern nach, deren Pferde mit donnernden Hufen in der Nacht verschwanden. »Der Morgen ist nicht mehr fern«, sagte sie zu Griflet. »Gibt es einen Grund, noch länger zu schlafen? Oder sollten wir nicht besser das Lager abbrechen und uns auf den Weg nach Caerleon machen?«
Der Ritter sah sie etwas freundlicher an. »Ja, in diesem Regen werden wir kaum noch schlafen«, erwiderte er. »Wenn Ihr bereit seid, Herrin, wäre mir es nur recht, weiterzureiten. Gott weiß, was uns auf dem Weg nach Caerleon noch alles bevorsteht.«
Als die Sonne über der Heide aufging, schien es, als ritten sie bereits durch ein Land, das der Krieg zum Schweigen gebracht hatte. Bauern hätten auf den Feldern sein müssen; und als sie etliche Weiler passierten, weideten auf den Wiesen keine Schafe, kein Hund bellte, und kein Kind zeigte sich, um ihnen wie sonst neugierig nachzusehen. Selbst auf der Römerstraße begegneten sie keinem einzigen Reisenden. Schaudernd begriff Gwenhwyfar, daß sich die Nachricht vom kommenden Krieg im Land verbreitet hatte; und alle, die nicht kämpfen konnten, verkrochen sich hinter verriegelten Türen, um sich vor den Kriegern beider Seiten zu verstecken.
Gefährde ich meinen Sohn, wenn ich so schnell reite?
Aber sie schien nur die Wahl zwischen zwei Übeln zu haben – sich und ihr Kind durch den anstrengenden Ritt zu gefährden, oder zu lange auf der Straße zu sein und vielleicht den Sachsen in die Hände zu fallen.
Gwenhwyfar beschloß, Griflet keinen weiteren Grund zur Klage zu geben, sie verursache die Verzögerung. Entschlossen verzichtete sie deshalb darauf, in der Sänfte Zuflucht zu suchen; doch auf dem Rücken des Pferdes schien von allen Seiten Gefahr zu lauern…
Nach einem langen Tag erblickten sie kurz vor Sonnenuntergang den Wachturm, den Uther vor Caerleon hatte errichten lassen. Das große scharlachrote Banner des Pendragon wehte auf seinem Dach, und Gwenhwyfar bekreuzigte sich, als sie darunter vorbeiritt.
Ist es richtig, daß sich unter dem Zeichen eines alten Teufelsglaubens die Heere eines getauften Königs sammeln… in einer Zeit, in der sich alle Christen gemeinsam gegen die Barbaren in die Schlacht stürzen müssen?
Einmal hatte sie mit Artus darüber gesprochen. Er antwortete ihr, er habe seinem Volk geschworen, als der Große Drache über sie zu herrschen, und Christen und Nichtchristen gleiche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Lachend streckte er seine Arme aus, um ihr die eingeritzten barbarischen Schlangen zu zeigen, die sich darumwanden.
Sie haßte diese Schlangen. Es waren Zeichen, zu denen sich kein Christ bekennen sollte. Aber Artus war unnachgiebig geblieben. »Ich trage sie als Zeichen meiner Königswürde zur Erinnerung an den Tag, als ich Uthers Platz in diesem Land einnahm. Wir wollen nicht mehr darüber sprechen, meine Gemahlin.« Und durch nichts konnte sie ihn dazu bringen, mit ihr noch einmal darüber zu reden oder sich anzuhören, was ein Priester in
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