Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
die Wohltaten der christlichen Erziehung und priesterlichen Rat genossen. Es ist meine Entscheidung, nicht zu gehen!« erwiderte sie scharf.
»Aber Gwenhwyfar«, sagte er sehr sanft. Und seine blassen Augen sahen sie ruhig aus dem faltigen und gezeichneten Gesicht an. »Bedenkt doch… stellen wir uns vor, ein Gesetz würde erlassen, das die Feldfeuer verbietet. Euer Gewissen befiehlt Euch aber, daß es richtig ist, so zu handeln, Euch der Göttin zu schenken, um so in Dankbarkeit anzuerkennen, daß sie über Körper und Seele herrscht. Wenn Eure Göttin dies von Euch verlangen sollte… würdet Ihr Euch von einem Gesetz abhalten lassen, daß Euch den Dienst an der Göttin verbietet? Vergeßt nicht, liebe Herrin: Noch vor zweihundert Jahren – hat Bischof Patricius Euch dies nicht erzählt? – war es hier im Sommerland vom Gesetz streng verboten, Christus anzubeten, um den Göttern Roms nicht die gebührende Ehre vorzuenthalten. Und es gab Christen, die lieber starben, als so unbedeutende Dinge zu tun, wie ein paar Körner Weihrauch vor einer der Götterstatuen zu verbrennen… aha, ich sehe, Ihr kennt die Geschichte! Wollt Ihr Euren Gott zu einem ebenso großen Tyrannen machen wie die römischen Kaiser?«
»Aber Gott ist wirklich, und sie sind nur von Menschenhand geschaffene Vorbilder«, entgegnete Gwenhwyfar.
»Sie sind auch nichts anderes als das Bild der Jungfrau Maria, das Artus in die Schlacht trug«, entgegnete Taliesin. »Ein Bild, um den Gläubigen Trost zu schenken. Mir als Druiden ist es streng verboten, die Darstellung eines Gottes zu besitzen, denn ich habe in vielen Leben gelernt, daß ich keine brauche… ich kann an meinen Gott denken, und er ist in mir. Aber die Einmalgeborenen sind dazu nicht in der Lage. Deshalb verehren sie ihre Göttin in runden Steinen und Teichen, wie Eure einfachen Menschen das Bild der Jungfrau Maria und das Kreuz brauchen. Manche Ritter tragen es sogar auf ihren Schilden, damit die Menschen sie als christliche Ritter erkennen.«
Gwenhwyfar wußte, etwas stimmte nicht an seinem Beweis. Aber sie konnte mit dem Merlin nicht streiten. Er war ohnedies nur ein alter Mann und ein Heide…
Wenn ich Artus einen Sohn geboren habe. .. er sagte einmal, dann kann ich alles von ihm verlangen, was in seiner Macht steht. Er wird es mir erfüllen. Und dann werde ich ihn darum bitten, den Beltanebrauch und die Erntefeuer zu verbieten.
Monate später erinnerte sich Gwenhwyfar an dieses Gespräch – es war am Morgen nach dem Traum. Morgaine hätte ihr bestimmt geraten, mit Lancelot an die Feuer zu gehen… Artus hatte gesagt, er würde keine Fragen stellen, wenn sie ein Kind bekommen sollte. Er hatte ihr gewissermaßen die Erlaubnis gegeben, Lancelot zum Liebhaber zu nehmen… ihr Gesicht glühte, während sie sich über das Kreuz beugte.
Nein, ich bin nicht würdig, eine solche Arbeit zu tun.
Sie legte die Altardecke beiseite und hüllte sie in ein grobes Tuch ein. Sie würde daran weiterarbeiten, wenn sie ruhiger war…
Cais hinkende Schritte näherten sich der Kammer. »Meine Herrin«, sagte er. »Der König läßt Euch bitten, auf den Turnierplatz zu kommen. Er möchte Euch etwas zeigen.«
Gwenhwyfar nickte ihren Hofdamen zu. »Elaine, Meleas, begleitet mich«, sagte sie. »Ihr anderen könnt mitkommen oder weiterarbeiten, ganz wie es Euch beliebt.«
Eine ältere und etwas kurzsichtige Frau entschied sich zu bleiben und zu spinnen. Die anderen sehnten sich nach einer Gelegenheit, in die frische Luft und in die Sonne zu kommen, und folgten der Königin.
In der Nacht hatte es geschneit. Aber die Macht des Winters war gebrochen, der Schnee schmolz in der Sonne dahin. Kleine Blüten reckten ihre Köpfe im Gras; in einem Monat würde hier ein einziges Blumenmeer sein. Als Gwenhwyfar nach Camelot gekommen war, hatte ihr Vater Leodegranz ihr seinen besten Gärtner geschickt. Er sollte entscheiden, welche Gemüse und Kräuter auf Camelot am besten wachsen würden. Der Hügel war lange vor den Römern schon befestigt gewesen, und es wuchsen bereits Kräuter. Gwenhwyfar befahl dem Gärtner, sie alle in den Küchengarten zu versetzen. Als sie eine Stelle entdeckten, wo wilde Blumen wuchsen, bat sie Artus darum, ihr dieses Stück als Wiese zu lassen. Und er legte den Turnierplatz in einige Entfernung.
Gwenhwyfar warf einen verzagten Blick nach oben, während sie über den Rasen schritten. Hier war alles so offen, und der Himmel schien so nahe. Caerleon hatte sich dicht an die Erde
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