Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Göttin den Priesterinnen zuflüsterten, sie sollten ihnen einen Platz weit von mir entfernt geben, damit nicht die Möglichkeit bestand, daß ich sie ansah, wenn es Zeit war, die Feuer zu verlassen…«
Morgaine setzte sich entrüstet auf. »Ich würde als Priesterin eine solche Frau von den Feuern vertreiben, wenn sie die Gestalt in Zweifel zieht, in der der Gott zu ihr kommt… und was hast du getan, Kevin?«
Er zuckte die Schultern. »Ich machte mich so heimlich davon, daß niemand es bemerkte, um das Ritual nicht zu stören oder eine Frau vor eine solche Entscheidung zu stellen. Selbst der Gott kann nicht ändern, was sie sehen oder über mich denken. Bereits ehe mir das Gelübde der Druiden verbot, mich zu den Frauen zu legen, die ihren Körper für Gold feilbieten, konnte ich keine Frau finden, die mein Gold genommen hätte. Vielleicht sollte ich versuchen, ein Christenpriester zu werden, denn ich habe gehört, ihre Kirche lehrt sie das Geheimnis, wie man ohne Frauen lebt. Vielleicht sollte ich auch wünschen, die Sachsen, die meine Hände und meinen Körper entstellten, hätten mich auch entmannt. Dann müßte ich mich darum nicht mehr kümmern… Es tut mir leid, ich sollte nicht darüber sprechen. Aber ich überlege, ob du eingewilligt hast, dich neben mich zu legen, weil du dachtest, in diesem entstellten Körper stecke kein Mann…«
Erschrocken über die abgrundtiefe Bitterkeit seiner Worte, der Wunden, die seiner Männlichkeit zugefügt worden waren, hörte Morgaine zu. Sie kannte die Empfindsamkeit seiner Hände, die verletzlichen Gefühle eines Musikanten. Konnten Frauen selbst im Angesicht der Göttin nur einen entstellten Körper sehen? Sie dachte daran, wie sie sich in Lancelots Arme geworfen hatte und an ihren verletzten Stolz… eine Wunde, die nie heilen würde.
Langsam beugte sie sich über ihn, küßte ihn auf den Mund, zog seine Hand an ihre Lippen und küßte die Narben. »Du darfst nie daran zweifeln, daß du für mich ein Mann bist, und die Göttin gibt mir ein, das zu tun.« Sie legte sich wieder auf den Mantel und wendete sich ihm zu.
Er betrachtete sie prüfend in der zunehmenden Helligkeit. Einen Moment lang erschrak sie vor dem, was sie in seinem Gesicht las. Glaubte er, sie bemitleide ihn? Nein! Sie teilte mit ihm die Kenntnis seiner Leiden, und das war etwas anderes. Sie sah ihm in die Augen… ja, wenn sein Gesicht nicht so von Bitterkeit gezeichnet wäre, so verzerrt von all dem Leiden, würde er wahrscheinlich gut aussehen. Kevin hatte klare Züge, seine Augen waren dunkel und sanft. Das Schicksal hatte seinen Körper gebrochen – nicht aber seinen Geist… kein Feigling hätte die Prüfungen der Druiden bestanden.
Unter dem Mantel der Göttin ist jede Frau meine Schwester, meine Tochter und meine Mutter. Und so muß jeder Mann für mich Vater sein, Liebhaber und Sohn… Mein Vater starb, ehe ich ihn richtig kennenlernte, und ich habe meinen Sohn nicht mehr gesehen, seit er entwöhnt wurde… aber diesem Mann will ich schenken, was die Göttin mir aufträgt…
Morgaine küßte eine der vernarbten Hände Kevins und legte sie unter dem Gewand auf ihre Brust. Er war unerfahren… und das kam ihr bei einem Mann seines Alters seltsam vor.
Aber wie konnte es auch anders sein?
Dann dachte sie:
Es ist wirklich das erste Mal, daß ich es aus freiem Willen tue. Und das Geschenk wird so genommen, wie es geboten wird.
Etwas in ihr schien dadurch zu heilen. Seltsam, daß es mit einem Mann so sein konnte, den sie kaum kannte und dem sie nur freundliche Gefühle entgegenbrachte. Selbst in seiner Unerfahrenheit war Kevin zartfühlend und sanft. Sie spürte, wie in ihr eine große unaussprechliche Zärtlichkeit wuchs.
»Seltsam«, sagte er schließlich ruhig und nachdenklich. »Ich wußte, daß du weise und eine Priesterin bist. Aber ich habe nie daran gedacht, daß du schön bist.«
Sie lachte rauh: »Schön? Ich?« Aber es erfüllte sie mit Dankbarkeit, daß sie ihm in diesem Augenblick schön erschien.
»Morgaine, sage mir… wo bist du gewesen? Ich möchte nicht fragen. Aber dir lastet etwas schwer auf dem Herzen.«
»Ich weiß es nicht«, entfuhr es ihr. Sie hatte nie geglaubt, daß sie es ihm sagen würde. »Außerhalb der Welt vielleicht… ich versuchte, Avalon zu erreichen… und konnte nicht dorthin kommen… ich glaube, der Weg zur Heiligen Insel ist mir versperrt. Zweimal war ich jetzt… anderswo. In einem anderen Land, in einem Land der Träume und voller Zauber… ein
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