Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Land, in dem die Zeit stillsteht und nicht ist. Dort gibt es nichts außer Musik…« Sie schwieg. Würde Kevin sie für wahnsinnig halten?
Er fuhr mit einem Finger die Linie ihres Auges nach. Es war kalt. Sie hatten die Mäntel von sich geworfen, und jetzt hüllte er sie zärtlich ein. »Auch ich war einmal dort und habe ihre Musik gehört…«, sagte er nachdenklich und geistesabwesend. »Dort war ich bei weitem nicht so entstellt, und die Frauen verspotteten mich nicht… eines Tages, wenn ich meine Furcht vor dem Wahnsinn überwunden habe, werde ich vielleicht noch einmal zu ihnen zurückkehren… sie unterwiesen mich in ihren Geheimnissen und sagten, wegen meiner Musik würden sie mich aufnehmen…« Und wieder versank er in langes Schweigen.
Morgaine zitterte und wandte den Blick ab. »Wir sollten aufstehen. Wenn unser armes Pferd in der Nacht nicht erfroren ist, werden wir heute Camelot erreichen.«
»Und wenn wir zusammen ankommen«, sagte Kevin ruhig, »werden sie vielleicht glauben, daß wir beide aus Avalon kommen. Es geht sie nichts an, wo du gewesen bist… du bist eine Priesterin und keinem Menschen Rechenschaft schuldig… auch nicht ihrem Bischof oder Taliesin.«
Morgaine wünschte, sie könnte ein hübscheres Kleid anziehen. Sie würde im Gewand einer Bettlerin an König Artus' Hof erscheinen. Nun, das ließ sich nicht ändern. Kevin sah zu, wie sie ihre Haare aufsteckte, dann streckte er die Hand aus, und sie half ihm wie selbstverständlich, sich zu erheben. Aber sie sah wieder den bitteren Ausdruck in seinen Augen. Er verschloß sich hinter hundert Mauern der Vorsicht und der Bitterkeit. Doch als sie aus der Tür krochen, berührte er ihre Hand. »Ich habe dir nicht gedankt, Morgaine.«
Sie lächelte: »Oh… wenn es um Dank geht, so habe auch ich zu danken, mein Freund… oder hast du das nicht gespürt?«
Einen Augenblick lang drückte er mit den vernarbten Fingern ihre Hand… Und dann sah sie loderndes Feuer… sie sah Kevins entstelltes Gesicht in einem Feuerring… es war zu einem Schrei verzerrt… und überall brannte es, züngelten Flammen… Feuer… Sie erstarrte, zog ihre Hand weg und blickte ihn voll Entsetzen an.
»Morgaine«, rief er. »Was ist dir?«
»Nichts, nichts… ein Krampf in meinem Bein, log sie und wich seiner Hand aus, als er sie stützen wollte.
Tod! Tod durch Verbrennen! Was bedeutete das? Selbst die schlimmsten Verräter mußten nicht so sterben… oder habe ich nur gesehen, was ihm damals als Junge widerfahren ist?
Das kurze Aufblitzen des Gesichts wühlte sie bis ins Innerste auf. Morgaine glaubte, sie habe das Urteil gesprochen, das Kevin diesem Tod überantwortete.
»Komm«, sagte sie beinahe grob. »Wir wollen uns auf den Weg machen.«
13
Gwenhwyfar wollte nie etwas mit dem Gesicht zu tun haben. Stand nicht in der Heiligen Schrift: ›Kein Mann weiß, was der Tag ihm bringt!‹? Im vergangenen Jahr hatte sie kaum an Morgaine gedacht, und seit der Hof nach Camelot gezogen war, überhaupt nicht mehr. Aber als sie an diesem Morgen erwachte, erinnerte sie sich, von Morgaine geträumt zu haben. Im Traum hatte Morgaine sie an der Hand genommen, sie zu den Beltanefeuern geführt und ihr befohlen, bei Lancelot zu liegen. Nach dem Aufwachen lachte sie über diese Verrücktheit. Träume schickte bestimmt der Teufel, denn in allen Träumen, die ihr so sündige Gedanken eingaben, die keine Christin hegen durfte, sprach Morgaine sie aus.
Sie hat den Hof verlassen. Ich muß nie mehr an sie denken … nein, ich wünsche ihr nichts Schlechtes. Ich wünsche, daß sie ihre Sünden bereut und in einem Kloster Frieden findet… aber weit weg von hier.
Nachdem König Artus seinem Heidentum entsagt hatte, glaubte Gwenhwyfar sogar, glücklich sein zu können. Wenn nur diese Träume nicht wären, in denen Morgaine sie zu schamlosen Dingen verleitete! Der Traum ließ sie nicht los, während sie an dem Altartuch arbeitete, das sie der Kirche schenken wollte. Er verfolgte sie so sehr, daß es ihr wie eine Sünde erschien, an Lancelot zu denken, während sie ein goldenes Kreuz stickte. Sie ließ die Nadel sinken und sprach flüsternd ein Gebet. Aber ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Als sie Artus am Weihnachtsfest darum bat, hatte er ihr versprochen, die Beltanefeuer in den Dörfern zu verbieten. Sie glaubte, er hätte es schon früher getan, wenn der Merlin ihn nicht daran gehindert hätte. Es müßte jedem schwerfallen, den alten Mann nicht liebzuhaben.
Er war so gut und
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