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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sich, hielt sie fest umschlungen, und Gwenhwyfar spürte undeutlich, wie er sie mit Küssen bedeckte. Sie wehrte sich nicht – es war wie ein Traum. Meleagrant lag in seinem Blut am Boden und neben ihm sein Schwert. Lancelot mußte Gwenhwyfar über den Leichnam tragen, ehe er sie auf ihre Füße stellen konnte.
    »Wie… woher wußtest du es?« stammelte die Königin.
    »Morgaine«, antwortete er knapp. »Als ich nach Camelot zurückkehrte, erzählte mir Morgaine, daß sie dich gebeten hatte, auf mich zu warten. Sie hielt das Ganze für eine Falle… Ich schwang mich wieder auf mein Pferd und kam mit einem halben Dutzend Männer hierher. Deine Begleiter wurden im Wald bei der Burg gefangengehalten. Sie waren gefesselt und geknebelt… Nachdem ich sie befreit hatte, war es nicht mehr schwierig… der Verräter wiegte sich zweifellos in Sicherheit.«
    Lancelot ließ sie lange genug los, um ihre blauen Flecken im Gesicht und an ihrem Körper zu sehen, das zerrissene Kleid und die geschundenen Lippen. Er berührte sie mit zitternden Fingern.
    »Jetzt bedaure ich zutiefst, daß er so schnell gestorben ist. Ich hätte diesen Unhold mit Vergnügen leiden lassen, wie du gelitten hast… oh, meine arme, meine geliebte Gwenhwyfar. Man hat dich grausam mißhandelt…«
    »Du weißt nichts«, flüsterte sie, »du weißt nicht…« Schluchzend klammerte sie sich an ihn. »Nun bist du hier! Du bist hier! Ich dachte,
    niemand würde kommen. Ich glaubte, niemand will mich mehr, keiner will mich mehr berühren… jetzt, nachdem ich so entehrt bin…«
    Der Ritter umarmte Gwenhwyfar und küßte sie immer wieder voll zärtlicher Leidenschaft. »Du entehrt? Nein, ihn trifft die Schuld, und Meleagrant hat dafür bezahlt«, murmelte er unter Küssen. »Ich glaubte, dich für immer verloren zu haben, ich dachte, er habe dich getötet. Aber Morgaine sagte, du seist am Leben…«
    Selbst jetzt durchzuckte Gwenhwyfar Angst und Abneigung – wußte Morgaine wirklich, wie man sie gedemütigt und geschändet hatte? O Gott, wenn es nur Morgaine nicht wüßte. Gwenhwyfar konnte den Gedanken nicht ertragen, daß die Schwägerin nun auch das wußte!
    »Ectorius, und Lucan…?«
    »Lucan geht es gut. Ectorius ist nicht mehr jung, und er hat einen schweren Schock erlitten. Aber ich glaube, man muß nicht befürchten, daß er es nicht überlebt«, antwortete Lancelot. »Du mußt jetzt hinuntergehen, Liebes, und dich ihnen zeigen. Sie müssen wissen, daß ihre Königin lebt.«
    Gwenhwyfar blickte auf ihr zerrissenes Gewand und befühlte ihr geschwollenes Gesicht. Mit erstickter Stimme fragte sie: »Kann ich mich nicht erst herrichten? Ich möchte nicht, daß sie sehen…« Sie konnte nicht weiter sprechen.
    Lancelot nickte zögernd und sagte: »Ja, sie sollen glauben, daß er nicht gewagt hat, dich auch nur anzurühren. Es ist besser so. Ich kam allein hoch, denn ich wußte, mit Meleagrant würde ich schon fertig werden. Die anderen warten unten. Ich werde mich umsehen… ein Mann wie er hat sicher nicht ohne Frauen hier gelebt.«
    Er verließ die Königin, und Gwenhwyfar konnte kaum ertragen, ihn gehen zu sehen. Sie wich vor dem Leichnam auf dem Boden nur zögernd zurück und betrachtete ihn wie den Kadaver eines Wolfes, den ein Hirte getötet hatte. Selbst das viele Blut ekelte sie nicht. Es dauerte nicht lange, bis Lancelot wiederkam.
    »Dort drüben gibt es eine saubere Kammer, und in den Truhen liegen etliche Gewänder … Ich glaube, es war das Gemach des alten Königs. Dort hängt sogar ein Spiegel an der Wand.«
    Er führte sie durch den Flur. Der Raum war gepflegt und im Bett frisches, sauberes Stroh aufgeschüttet; es gab Tücher, Decken und Pelze – nicht allzu sauber, aber auch nicht ekelerregend. Gwenhwyfar entdeckte eine geschnitzte Truhe, die sie wiedererkannte. Darin fand sie drei Gewänder – eines hatte sie an Alienor einmal gesehen, die beiden anderen gehörten einer größeren Frau. Die Königin nahm sie hoch und betrachtete sie durch einen Schleier von Tränen…
Sie müssen meiner Mutter gehört haben. Warum mein Vater sie wohl nicht Alienor gegeben hat? .. .Ich habe ihn eigentlich nie richtig gekannt und keine Vorstellung, was für ein Mann er wirklich war. Ich sah in ihm immer nur den Vater.
Das erschien ihr so traurig, daß sie beinahe wieder geweint hätte.
    »Ich werde dieses anziehen«, sagte Gwenhwyfar mit einem schwachen Lächeln. »Wenn ich mich ohne Kammerfrau ankleiden kann…«
    Lancelot streichelte sanft ihre Wange.

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