Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Vielleicht hoffte ich, er als christlicher König würde sich weigern, mich zu heiraten, wenn er erfuhr, was ich ihm zu sagen hatte. Vielleicht suchte er noch eine junge Frau, die ihm Kinder schenken konnte. Ich wollte auch nicht, daß er mich unter falschen Voraussetzungen nahm und mir hinterher Vorwürfe machte, da ich wußte, wieviel den Christen eine unberührte Braut bedeutete. Vermutlich hatten sie das zusammen mit dem Familienstolz von den Römern übernommen. »Ich bin weit über dreißig Jahre, Uriens«, begann ich, »und keine Jungfrau mehr.« Ich wußte nicht, wie man so etwas verbindlich oder höflich ausdrückte.
Er berührte den kleinen, blauen Halbmond auf meiner Stirn. Das Zeichen verblaßte immer mehr. Ich hatte es im Spiegel gesehen, der sich unter Gwenhwyfars Geschenken befand. Auch Vivianes Halbmond verblaßte, aber sie zog ihn immer wieder mit blauer Farbe nach.
»Ihr wart eine Priesterin von Avalon, eine der Jungfrauen der Herrin vom See. Ihr habt als Jungfrau den Gott empfangen, nicht wahr?« Ich bejahte.
Uriens fuhr fort: »Ein Teil meines Volkes tut das auch heute noch. Ich unternehme keine großen Anstrengungen, es zu verbieten. Die Bauern haben das Gefühl, König und Adel können wohl Christen sein. Sie haben das Geld, die Priester zu bezahlen, die sie aus der Hölle beten. Aber sie würde es schwer treffen, wenn die Alten Götter, die in unseren Hügeln seit undenklichen Zeiten verehrt werden, um ihr Recht gebracht würden. Accolon denkt ebenso. Aber inzwischen geht die Macht in die Hände der Priester über, und ich kann es mir nicht mehr leisten, sie als Feinde zu haben. Mir ist es gleichgültig, welcher Gott auf dem Thron im Himmel sitzt, oder welcher Gott von meinem Volk verehrt wird, solange in meinem Reich Frieden herrscht. Auch ich habe einmal das Geweih getragen. Ich schwöre, Euch nie einen Vorwurf zu machen, Lady Morgaine.«
Oh, Mutter Göttin,
dachte ich.
Es ist unglaublich, reinster Irrsinn. Du erlaubst dir einen Spaß mit mir… mit Accolon hätte ich vielleicht eine glückliche Ehe führen können.
Aber der Ritter war jung und suchte sicher auch eine junge Frau… zu Uriens sagte ich: »Es gibt noch etwas, das Ihr wissen müßt. Ich habe dem Gehörnten ein Kind geboren…«
Niemals, so beschloß ich, sollte er aus meinem Mund erfahren, wer dieses Kind gezeugt hatte. Ich nahm an, daß Gwenhwyfar ebenso bedacht darauf war wie ich, die Wahrheit geheimzuhalten. »Ich habe bereits gesagt, Lady Morgaine, ich werde Euch nie etwas vorwerfen, das der Vergangenheit angehört…«
»Ich glaube, Ihr versteht mich nicht. Die Geburt dieses Kindes war so schwierig, daß ich ganz bestimmt kein Kind mehr bekommen werde.«
Ein König, so dachte ich, ein König würde eine fruchtbare Braut haben wollen. .. und das noch eher als sein jüngerer Sohn… Er tätschelte mir die Hand. Ich glaube, er wollte mich tatsächlich trösten. »Ich habe genug Söhne«, sagte er. »Ich brauche keine mehr. Kinder sind etwas Schönes. Aber ich habe mehr als meinen Teil gehabt.«
Ich dachte:
Uriens ist alt und töricht… aber er ist freundlich. Wenn er vorgegeben hätte, sich vor Verlangen nach mir zu verzehren, hätte ich das nicht ertragen können. Aber mit Freundlichkeit kann ich leben.
»Sehnt Ihr Euch nach Eurem Sohn, Morgaine? Ihr könntet ihn zu Euch nehmen, damit er an meinem Hof aufwächst. Ich schwöre Euch, daß weder er noch Ihr je ein Wort des Vorwurfs von mir hört. Er soll erzogen werden, wie es sich für den Sohn der Herzogin von Cornwall und der Königin von Nordwales geziemt.«
Seine Freundlichkeit trieb mit die Tränen in die Augen. »Ihr seid sehr gütig«, sagte ich. »Aber er ist in Avalon gut aufgehoben.«
»Laßt es mich wissen, wenn Ihr es Euch anders überlegt«, erklärte er. »Ich würde mich über einen Jungen freuen, denn ich denke, er ist im richtigen Alter, damit mein jüngster Sohn Uwain einen Spielgefährten hat.«
»Ich dachte, Accolon sei Euer jüngster Sohn, Herr.«
»Nein, nein, das ist der neunjährige Uwain. Seine Mutter starb bei der Geburt… das hättet Ihr wohl nicht geglaubt, daß ein so alter Baum wie ich noch einen Schößling von neun Jahren hat?«
Oh, doch,
dachte ich mit einem ironischen Lächeln.
Männer sind auf ihre Fähigkeit, Söhne zu zeugen, so stolz, als erfordere das großes Können. Als sei nicht jeder Kater dazu in der Lage! Eine Frau muß ein Kind wenigstens für den größten Teil eines Jahres im Leib tragen und die Schmerzen der Geburt
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