Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Traum streckte Morgaine die Hände aus, beugte sich über ihn und küßte ihn auf den Nacken. Eine Stimme in ihr fragte verwundert und erschrocken:
Was tue ich? Liegt es nur daran, daß er im Namen der Göttin zu mir spricht, als Priester zur Priesterin? Oder daran, daß ich mich wieder als Frau fühle, wenn er mich berührt und wenn er mit mir spricht? Erwache ich wieder zu neuem Leben nach all dieser Zeit, in der ich mich alt und abgestorben fühlte in dieser Ehe mit einem verdorrten Mann und ein totes Leben lebte?
Accolon richtete sich auf und küßte sie auf den Mund. Morgaine überließ sich seinen gierigen Lippen. Sie fühlte, wie sie dahinschmolz, wie sie sich öffnete. Ein lustvoller Schauer, in den sich Schmerz mischte, durchrann sie, als seine Zunge in ihrem Mund Erinnerungen weckte, die tief in ihrem Körper ein Echo fanden… so lange, es war so lange her, ein ganzes langes Jahr war ihr Körper der Totenstarre gleich gewesen und nicht erwacht, um nicht spüren zu müssen, was Uriens tat… Trotzig dachte Morgaine:
Ich bin eine Priesterin. Mein Körper ist mein; er gehört mir, damit ich ihn der Göttin zu Ehren verschenke! Was ich mit Uriens getan habe, war Sünde: Unterwerfung unter die männliche Lust. Doch dies ist rein und heilig…
Seine Hände an ihrem Körper zitterten. Aber seine Stimme klang ruhig und vernünftig, als Accolon sagte: »Ich glaube, in der Burg schläft alles. Ich wußte, daß du hier auf mich warten würdest…«
Morgaine störte seine Sicherheit; dann neigte sie den Kopf. Sie waren in der Hand der Göttin, und sie würde sich dem Fluß nicht verweigern, der sie in rauschenden Wogen davontrug. Lange, lange war sie nur in seichten Gewässern dahingetrieben. Jetzt wurde sie wieder in den Strom des Lebens gezogen.
»Wo ist Avalloch?«
Accolon lachte kurz auf. »Er ist unten im Dorf, um bei der Frühlingskönigin zu liegen… einer unserer Bräuche, die unser Dorfpriester
nicht
kennt. Das ist so, seit unser Vater alt ist und wir erwachsen waren. Selbst Avalloch hält es mit seiner Christenpflicht vereinbar, wie einst Uriens in seiner Jugend Vater seiner Untertanen zu sein… oder zumindest so vieler wie möglich. Avalloch hat mir angeboten, heute das Los entscheiden zu lassen. Erst als ich eingewilligt hatte, erinnerte ich mich daran, daß deine Hände die Frühlingskönigin gesegnet haben, und ich wußte, wem ich meine Huldigung darbringen muß…«
Schwach protestierend murmelte Morgaine: »Avalon ist weit entfernt…«
Das Gesicht an ihre Brust gedrückt, erwiderte Accolon: »Aber die Göttin ist überall.«
Morgaine flüsterte: »So sei es!« und erhob sich. Sie zog ihn an den Händen hoch und wandte sich der Treppe zu, hielt aber plötzlich inne. Nein, es gab kein Bett in der Burg, das sie in Ehren teilen konnten. Und eine Weisheit der Druiden kam ihr ins Gedächtnis:
Wie kann das, was von Menschen weder gemacht noch geschaffen wurde, unter einem Dach verehrt werden, das ein Werk der Menschen ist?
Dann hinaus also, hinaus ins Freie unter den nächtlichen Himmel! Sie traten in den leeren Burghof. In diesem Augenblick schoß eine Sternschnuppe über den Himmel – so schnell, daß Morgaine glaubte, Himmel und Erde bewegten sich unter ihren Füßen rückwärts… dann war alles vorbei, und sie war wie geblendet.
Ein Zeichen. Die Göttin heißt mich wieder willkommen…
»Komm«, flüsterte sie und führte Accolon in den Obstgarten. Die weißen Blütenblätter umtanzten sie in der Dunkelheit wie Geister. Sie breitete ihren Mantel wie einen Zauberkreis über das Gras, streckte die Arme aus und flüsterte: »Komm.« Der schattenhafte dunkle Körper über ihr verdeckte den Himmel und löschte die Sterne.
Morgaine erzählt…
Selbst in dieser Mittsommernacht, als wir unter den Sternen beisammen lagen, wußte ich, daß mich weniger die Liebe leitete, als die leidenschaftliche Macht zur magischen Handlung. Accolons Hände, die Berührung seines Körpers, weihten mich erneut zur Priesterin, und es geschah nach dem Willen der Göttin. Obwohl ich nichts wahrnahm, hörte ich in der Sommernacht das Flüstern von Stimmen und wußte, daß wir nicht allein waren. Er wollte mich in den Armen halten, aber getrieben von einer Macht, die in dieser Stunde von mir Besitz ergriffen hatte, stand ich auf, hob die Hände über meinen Kopf und ließ sie langsam, mit geschlossenen Augen, sinken und rief mit angehaltenem Atem die Macht der Göttin… erst als ich hörte, wie Accolon ehrfürchtig nach
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