Avalons Geisterschiff
alles klaglos hin. Wahrscheinlich hätte er sich längst befreien können, wären seine Bewegungen geschmeidiger gewesen. So aber blieben sie langsam, torkelnd, und sie sahen manchmal sogar hilflos aus.
Das Vogelmädchen wurde mutiger. Es drehte den Tisch, denn mit der normalen Fläche wollte Carlotta nicht mehr zuschlagen. Sie hatte sich auf die Kante konzentriert. Wenn sie ihren Gegner damit erwischte, und zwar richtig erwischte, war alles gelaufen.
Sie drehte den Tisch so, dass sie entsprechend zuschlagen konnte. Das war auch wichtig, denn der Angreifer hatte sich wieder gefangen. Er war sogar dabei, den Säbel in Stellung zu bringen. Genau in dem Augenblick erwischte ihn die Kante des Tisches am Kopf.
Es war ein wirklich harter Treffer. Carlotta konnte erkennen, dass die rechte Seite der Stirn eingedrückt wurde. Es hätte Blut fließen müssen, wäre bei ihm alles normal gewesen. Aber der rote Saft zeigte sich nicht. Dafür landete die Gestalt auf dem Boden und kippte zur Seite.
Carlotta nutzte die Gelegenheit und drosch noch mal zu. Wieder traf die Kante, aber sie sah nicht, wo sie den Kopf genau erwischt hatte, weil die Platte ihr die Sicht nahm.
Und dann schleuderte sie den Tisch zur Seite, denn sie hatte etwas gesehen. Der Einbrecher hielt seine Waffe nicht mehr so fest in der Hand. Was Carlotta dann tat, erlebte sie wie im Traum. Sie bückte sich, riss den Säbel an sich und sprang mit der Waffe zurück.
Vor ihren Füßen lag die Gestalt. Sie hatte sich jetzt auf den Rücken gedreht. Ihr Gesicht sah schlimm aus, aber die Chance war günstig. Carlotta handelte weiter wie in Trance.
Zuerst riss sie den Säbel hoch. Sie hatte ihn so gepackt, dass die Klinge nach unten wies.
Dann ging sie einen kleinen Schritt nach vorn. Sie musste die richtige Distanz haben.
Und sie stach zu.
Mit voller Wucht rammte sie die Waffe in die Brust dieses zombiehaften Wesens. Die Klinge riss den Körper auf und bohrte sich zwischen die Rippen, und als ihre Hände den Säbel losließen, blieb er in der Brust stecken und wippte nur leicht hin und her.
Carlotta sah es. Nach Sekunden packte sie der Schock. Sie taumelte zurück, fiel zum Glück auf die Couch, schlug die Hände vor ihr Gesicht und fing an zu weinen...
***
Maxine Wells hatte das Gefühl, als würden Hunderte von Zwergen in ihrem Kopf herumhämmern. Sie hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen.
Sie hätte sich dem Eindringling gern gestellt, was jedoch nicht möglich war. Sie hatte noch zu sehr mit den Nachwirkungen des Treffers zu kämpfen, aber zum Glück war sie nicht bewusstlos geworden.
Sie saß auf dem Boden und hatte das Gefühl, dass sich der gesamte Raum bewegte. Das tat er nicht. Tatsächlich war sie es, die immer wieder von einer Seite zur anderen schwankte, und auch im Kopf drehte sich alles.
Aber es wurde besser.
Sie sah wieder klarer, und sie konzentrierte sich automatisch auf das Geschehen. Es schien ihr, als hätte man langsam einen Vorhang zur Seite gezogen, und so öffnete sich ihr Blick für das Wesentliche, an dem zwei Personen beteiligt waren.
Carlotta und dieser Zombie mit dem Säbel.
Maxine wollte aufstehen und eingreifen, doch nach einigen vergeblichen Versuchen sah sie ein, dass es keinen Sinn hatte. So musste sie Carlotta allein das Feld überlassen, und die Angst um ihren Schützling wuchs.
Carlotta hielt sich tapfer. Sie hatte sich einen kleinen Tisch genommen und verteidigte sich mit ihm. Sie gab nicht auf. Immer wieder schlug sie zu.
Sie drängte den Eindringling in die Defensive, und sie schaffte es sogar, ihn zu Boden zu drücken. Sie schrie, und dann brachte sie das fast Unmögliche fertig.
Sie gelang ihr, die Waffe dieser Unperson in ihren Besitz zu bringen. Plötzlich hielt sie den Säbel fest, und dann tat sie etwas, was ihr Maxine niemals zugetraut hätte.
Carlotta rammte die Waffe in die Brust des Eindringlings. So tief, dass sie stecken blieb.
Dabei schrie sie all ihren Frust und all ihre Angst heraus. Sie schüttelte sich dabei und taumelte schließlich bis zur Couch zurück, als hätte man ihr einen heftigen Stoß versetzt.
Dort blieb sie sitzen. Sie zitterte am ganzen Körper und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Dabei ließ sie ihren Tränen freien Lauf.
Das alles hatte die Tierärztin beobachten können. Ihr Kopf schmerzte weiterhin. Egal, sie wollte nicht mehr auf ihrem Platz bleiben. Carlotta brauchte Trost. Zum Glück war es nicht so weit bis zu ihr. Trotzdem wurde der Weg zu einer kleinen Tortur.
Weitere Kostenlose Bücher