AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
unser Brot«, erklärte er tugendhaft und wies auf einen mächtigen Laib Brot, den Mule in einem Leinenbeutel auf dem Rücken trug und jetzt treuherzig herzeigte. Der Wächter kniff misstrauisch ein Auge zusammen.
»Un wozu solche Mengen?«
»Mein Freund hier is ’ne schwache Natur«, krähte Knots, »der braucht ’ne Menge Futter.«
Der Wächter war nicht überzeugt.
»Gib her, des Zeug muss ich kosten, sonst kommt ihr hier nich rein, Tontafel hin oder her.«
Babitt entkorkte gehorsam die Flasche, goss ein wenig in den kleinen Becher und reichte ihn dem Wächter. Der roch daran, nahm einen Schluck und spie ihn sofort wieder aus.
»Uäh, das is ja wirklich Öl! Macht, das ihr weiterkommt, ihr haltet den ganzen Verkehr auf.«
Ärgerlich winkte er die drei durch und spuckte auf den Boden, um den öligen Geschmack los zu werden. Alle Umstehenden lachten schadenfroh, während die drei Maulwürfe mit dem Gehabe verfolgter Unschuld ihre Korbflaschen schulterten und in die dunkle Toröffnung marschierten. Kaum waren sie aus dem Blickfeld der Wächter verschwunden, begab Knots sich mit der kleinen Flasche zu den Latrinen, wo er die dünne Ölschicht, die auf dem Branntwein schwamm, in das übelriechende Loch schüttete. Als sie ihre Plätze gefunden hatten, genehmigten sie sich reihum einen Schluck.
»Auf den Wächter!«
»Hab doch gesagt, dass ich sie an die Nase rumführ,« brüstete Knots sich, reckte den mageren Hals und sah sich nach allen Seiten um. Dank der Freigiebigkeit des Bullen saßen sie hervorragend und die Bürger in ihrer Nachbarschaft betrachteten die drei schillernden Gestalten naserümpfend.
Mule hatte seiner unerklärlichen Vorliebe für Rüschen freien Lauf gelassen, der gefältelte Stoff wallte um seinen massigen Nacken und die breiten Schultern, von den dicken Handgelenken rieselten Kaskaden des feinsten Batists. Er hatte das Hemd eigens für diesen Tag anfertigen lassen und großzügig auf Weste und Wams verzichtet, um die Pracht recht auffällig zur Schau stellen zu können, aber hier und da hatte der blütenweiße Stoff bereits Flecken, während eine der Rüschen an der Schultern schon abgerissen war und lustig hinter ihm herflatterte. Er hatte das Prachtstück mit einem Gürtel so gerafft, das es nicht einmal seine kräftigen Hinterbacken bedeckte, und den Bruch, an dem die zweifarbigen Beinlinge befestigt waren, schmückte ohne falsche Bescheidenheit eine Schamkapsel von üppigen Ausmaßen. Es trug ihm die entrüsteten Blicke der Männer und verstohlene ihrer Frauen ein, aber er bemerkte weder das eine noch das andere.
Knots schmächtige Gestalt versank in weiten Pluderhosen und einer Jacke mit keulenartigen Pluderärmeln von leuchtendem Rot. Der Anzug war über und über mit Nesteln, Bändern und Schnüren versehen, so dass Knots unruhige Finger zu tun hatten.
Nur Babitt hatte sich nicht herausgeputzt, seine Kleidung war alltäglich und nicht einmal besonders sauber, aber auch ihn streiften befremdete Blicke. Seit einiger Zeit prangte ein erschreckendes Bild auf seinem Unterarm, eine Axt, die in ein Wappenbild fuhr, so dass es in zwei Hälften auseinanderbrach. Blut floss sehr wirklichkeitsgetreu und die Zeichnung war gestochen scharf, ein Werk von barbarischer Pracht, LaPrixa hatte ihre ganze Kunst aufgewandt.
Babitt hatte sich das Bild wider das Vergessen stechen lassen und er hatte das Gelübde getan, sich das Haar erst wieder zu waschen und zu scheren, wenn er Ciske gerächt hatte. LaPrixa hatte ihm gezeigt, wie er es mit Fett filzen musste, damit sich kein Ungeziefer einnistete. Das Ergebnis war bemerkenswert und als er damit zum ersten Mal in die Palastruine gekommen war, hatten Jermyn, Ninian und Wag ungläubig die Augen aufgerissen, während Kamante mit ausgestrecktem Finger auf ihn gedeutet und ein fremdes Wort gerufen hatte. Dann war sie in schallendes Gelächter und gleich darauf in Tränen ausgebrochen.
Unter den anderen Zuschauern riefen die kurzen Wuzzeln, wie Mule sie nannte, nur Abscheu hervor. Man rückte ein wenig ab und wies Korbflasche und Brot, die Mule gastfreundlich anbot, steif zurück. Babitt scherte sich nicht um die entrüsteten Blicke, er stand auf, um sich in dem großen Rund umzusehen.
»Siehste sie, Patron?«, fragte Knots eifrig, aber Babitt schüttelte den Kopf.
»Nee, die scheinen noch nich da zu sein. Vielleicht bleibt Jermyn beim Bullen im Untergrund, um ihm das Händchen zu halten«, er merkte, dass seine Worte nach Eifersucht rochen und
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