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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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bis zur Brust offen und statt eines Gürtels hatte er sich einen Schal um die Hüften gewunden. Brennend rot wie sein Haar, das in harten Stacheln um seinen Kopf stand und in einem dünnen Zopf auf seine Brust fiel. Gelassen stand er da wie ein Hausherr, der gekommen ist, um zu sehen, ob alles zu seiner Zufriedenheit gerichtet ist.
    Doch es war das Mädchen an seiner Seite, das die Aufmerksamkeit des ganzen Zirkus fesselte.
    Ihr schlichtes, weißes Gewand floss in weichen Falten bis zum Boden und ließ eine Schulter unbedeckt. Der zarte Stoff enthüllte ihre Gestalt in ihrer ganzen Vollkommenheit und ließ keinen Zweifel daran, dass nichts daran Schnürung, Stützen oder Polstern zu verdanken war. Ein Gürtel aus schmalen, goldenen Gliedern umspannte die schlanke Taille und ein feiner, silberner Schleier fiel, von einer schlichten Spange gehalten, von der bekleideten Schulter. Außer einem funkelnden Diamanten in ihrem Nasenflügel trug die junge Frau keinen Schmuck. Gegen die eleganten Damen in ihren steifen, glitzernden Roben und den überladenen, kunstvollen Frisuren schien sie wie eine Gestalt aus einer anderen Zeit, und mit einem Mal erkannten die Zuschauer, wen sie dort sahen.
    In den vergangenen Wochen hatten sie sich an den lieblichen, steinernen Figuren der Alten Zeit ergötzt. Jetzt war eine von ihrem Sockel herabgestiegen und stand in Fleisch und Blut vor ihnen: Die Götter selbst ehrten den wiedererstandenen Zirkus mit ihrer Anwesenheit!
    Ein leises Stöhnen stieg wie ein sehnsuchtsvolles Atemholen aus vielen tausend Kehlen auf, schwoll an, schwebte über der Arena und verklang.
    Die junge Frau hob das Kinn und nahm die Huldigung wie eine Göttin entgegen, reglos und würdevoll. Niemand bemerkte die leichte Röte, die ihr über Gesicht und Nacken flog. Das triumphierende Grinsen des jungen Mannes an ihrer Seite war jedoch ganz und gar irdisch.
    Die vornehmen Damen, allen voran die Fürstin und Thalia Sasskatchevan, wünschten der dreisten Hochstaplerin einen schnellen Tod, während Kaye sich selbstgefällig in seine Kissen zurücklehnte.
    »Sagt ich’s doch: Sie ist perfekt. Wahrhaftig, ich bin unübertrefflich.«
    Reihen über ihm klappte Mule den Mund zu und stieß verblüfft hervor:
    »Ja, leck mich doch am Arsche!«
     
    Duquesne und Donovan waren zu dem Patriarchen an die Brüstung getreten und starrten in seltenem einmütigem Zorn zu dem aufsehenerregenden Paar hinüber.
    Auch Isabeau hatte erkannt, wer ihr die ersehnte Huldigung gestohlen hatte, aber da sie nicht wagte, das ganze Ausmaß ihrer Wut zu zeigen und sich nur tugendhafte Entrüstung anmerken lassen durfte, musste sie Zuflucht bei ihrem Riechfläschchen suchen.
    In den unteren Sitzreihen wurde drohendes Gemurmel laut und Duquesne sagte ungeduldig:
    »Lasst mich die Eindringlinge wegschaffen, sie haben sich gewiss unrechtmäßig Zugang verschafft.«
    »Das glaube ich nicht«, murmelte der Patriarch, »siehst du nicht die rote Schärpe? Die beiden sind Gäste des Bullen, da wett ich meinen Thron.«
    Unruhe verbreitete sich unter der Menge; Guy d’Aquinas war aufgesprungen und drohte mit der geballten Faust zu den beiden jungen Leuten hinüber. Sie beachteten seine Drohung nicht, wie ihnen auch das giftige Zischen der vornehmen Zuschauer gleichgültig zu sein schien. Der junge Mann führte das Mädchen zu seiner Liege, trat zu seiner eigenen und dann ließen sie sich darauf nieder, mit Eleganz und Anmut. Immer mehr der vornehmen Besucher bekundeten ihr Missfallen, während die einfachen Leute mit offenem Munde gafften.
    Da erwachte Babitt aus seiner Erstarrung. Wilde Erregung ergriff ihn.
    »Er dreht ihnen ’ne lange Nase, diesen Laffen, die unschuldige Mädchen ermorden un seine Süße stiehlt den hochnäsigen Gänsen die Schau! Oi, Jermyn ...«, er schlug sich klatschend auf die Schenkel, sprang auf und brüllte aus Leibeskräften:
    »Oi, Jermyn, holla, holla, hoi hoi ...«
    Zuerst klang seine Stimme dünn und einsam, dann stimmten Mule und Knots ein, vom Branntwein beschwingt.
    »Oi, Jermyn, holla, holla, hoi, hoi. Oi, Jermyn holla, holla, hoi, hoi ...«
    Leben kam in die Galerie. Soweit oben hatten sie gar nicht alles verstanden, was dort in der untersten Reihe vor sich ging, dieser Ruf aber war ihnen vertraut.
    Die Leute aus den dunklen Vierteln kannten Jermyn und Ninian. Sie wurden mit Scheu, ja, mit Furcht betrachtet und man vermied es, mit ihnen über Kreuz zu geraten, aber Jermyn war aus der Gosse gekrochen wie sie selbst, er

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