AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)
und setzte mit wenigen Sprüngen die Treppe hinauf, »wir haben nicht mehr viel Zeit. Sorg dafür, dass die Händler aus den Bogengängen verschwinden, wir treffen uns in der Loge des Patriarchen, wenn alle raus sind.«
Beinahe erleichtert, dass der Zirkus wirklich zusammenzubrechen drohte, arbeitete sich Duquesne durch die herabströmende Menge die Treppen hinauf zu den oberen Aufstiegen. Die große Herde der Bürgersleute würde brav den Anweisungen der Wächter folgen, aber bei dem wilden Volk auf der Galerie mochte seine eigene Anwesenheit vonnöten sein. Als er in die müden, ein wenig glasigen Augen blickte, die ihn gleichgültig musterten, musste er daran denken, dass hinter jedem dieser Gesichter ein Teil von Jermyns Geist steckte und unwillkürlich schauderte er.
Die äußere Welt versank um Jermyn. Das gewaltige, weiße Rund der Arena, die ansteigenden Stufen, die dichtgedrängten Menschen, der blaue Himmel, wichen dem sternenklaren Dunkel des Geistes, das erfüllt war von Myriaden schimmernder Geistsphären. Eine Sperre nach der anderen fiel, fremde Gedanken und Empfindungen brandeten heran wie ein brausendes Meer. Jermyn öffnete sich und ergoss sich in die vieltausendköpfige Menge.
Der Geist kennt keine Grenzen - hoffentlich habt Ihr recht, Vater Dermot!
Es half, dass die Aufmerksamkeit aller in diesem Moment auf eine einzige Sache gerichtet war. Die Geistsphären glichen einem riesigen Gebäude, in dem die Türen alle in eine Richtung geöffnet waren, so dass ein Windstoß ungehindert hindurchfegen konnte. Einem Pfeil gleich, der vom Bogen eines Meisterschützen durch hundert hintereinanderhängende Ringe fliegt, schoss Jermyns Geist durch die Köpfe und ergriff von den ahnungslosen Menschen Besitz. Er stieß auf wenig Widerstand, selbst jene, die sich gut verschließen konnten, rechneten nicht mit einem Angriff und waren leicht zu überrumpeln. Nur an den Sperren des Ehrenwerten Fortunagra brach sich sein Vorstoß wie die heranrollende Sturmflut an den Wellenbrechern vor dem Hafenbecken. Er stieß auf den gleichen Widerstand, der auch Fortunagras Haus geschützt hatte. Aber er war schwach und konnte ihn nicht aufhalten. Nicht, wenn Ninians Leben auf dem Spiel stand. Rücksichtslos stob er durch die Netze, die Eindringlinge aufhalten sollten, und es bereitete ihm eine kalte Befriedigung, den hochmütigen, verderbten Geist seinem Willen zu unterwerfen.
Vor einigen machte er Halt, er erkannte ihr inneres Wesen, wie er in der äußeren Welt ihr Gesicht erkannte:
Der Patriarch, ein gewaltiges Geistgebäude, mit gefälliger Fassade, aber im Inneren ein Irrgarten, ein Fuchsbau mit verborgenen Gängen, Fallgruben und geheimen Räumen.
Donovan, offen wie ein sommerlich geöffnetes Lustschloss am Ouse-See, in dem selbst die intimsten Kammern ohne Türen und allen zugänglich waren, der Neugier, dem Spott, vor allem dem Zorn jedes Kundigen ausgesetzt - zügle deine Leidenschaften, sonst schwächst du die Kraft deines Geistes.
Dubaqi, ein hoher Turm, wie jene, deren Feuer an den steinigen Küsten die Schiffe leiteten. In ihm brannte die Flamme einer ständigen, unbestimmten Wut, hell und heiß, und er machte sich nicht die Mühe, sie zu verbergen. Sollte sich jeder, der ihn aushorchen wollte, daran versengen!
Thybalt, ein einfaches, starkes Haus, dessen kunstlose Sperren einem entschlossenen Eindringling keinen Widerstand boten, das aber auch keine schauerlichen Geheimnisse barg.
Und schließlich Duquesne, eine stumme, düstere Festung mit unüberwindlichen Mauern und eisernen Toren, die jeden Zugang verwehrten. Die Drohung finsterer Verließe ging von ihr aus, Verließe, deren Tiefen nur wahrhaft starke Meister ausloten durften.
Diese ließ er frei, alle anderen aber unterwarf er seinem Willen und als sie alle in seiner Gewalt waren, formte er sie.
Sie handelten, wie er es ihnen eingab, folgten gehorsam den Empfindungen, die er in ihnen weckte, den Bildern, die er ihnen vorgaukelte. Sie glaubten ihm. Das wundersame Spektakel, auf das sie seit Wochen gewartet hatten, war zu Ende. Sie hatten gebangt und gekämpft, um dabei zu sein, und nun hatten sie alles gesehen und waren befriedigt.
Jetzt schmerzte der Hintern vom langen Sitzen, die volle Blase drückte, der Magen war leer, die Kinder quengelten. Es machte nichts, dass es heller Tag und die Körbe noch voll waren, dass manche sich gerade erst niedergelassen hatten. Folgsam standen sie alle auf und wandten sich den Ausgängen zu, weil Jermyn es
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