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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Sonnenlicht enthüllte die Tiefe, die Jahrhunderte lang im Dunkeln gelegen hatte, rötliche Ziegelmauern und bleiche Tuffsteinpfeiler ragten wie verfaulte Zahnstümpfe im Maul eines Riesen aus dem Abgrund. Aber nur kurz entblößte der Zirkus seine Eingeweide, das ganze unterirdische Gemäuer war in Bewegung geraten.
    Die Schienen, über die das stolze Schiff des Ulissos in die Arena hätte gleiten sollen, flogen hoch in die Luft und stürzten krachend in die unteren Sitzreihen. Der hölzerne Bühnenaufbau wankte, die gemalten Kulissen rissen im Fall die zierlich geschnittenen Bäume in ihren Kübeln mit, die ganze Pracht versank und eine schmutzigbraune Staubwolke verhüllte die klaffende Spalte.
    Vom Ende der Spalte lief ein Riss über den Boden, kroch die Mauer unter der Patriarchenloge hinauf, zwischen den beiden Liegen hindurch und weiter über die ansteigenden Sitzreihen. Schwarz gezackt eilte er über den weißen Marmor, höher und höher, bis er die hölzerne Galerie erreichte. Ein gewaltiger Ruck, der die beiden einzigen Zuschauer dieses letzten großen Schauspiels im Alten Zirkus fast von den Füßen gerissen hätte, erschütterte den Bau, und unter dem donnernden Gebrüll des gequälten, triumphierenden Gesteins sackte die westliche Hälfte des Zirkus in sich zusammen.
    Die Balken der Galerie knickten ein wie Kinderspielzeug, Bohlen und Latten wirbelten durch die Luft und zerbrachen auf den steinernen Sitzreihen. Flüchtig dachte Duquesne an den Pfusch, den er befohlen hatte - selbst Balken von dreifacher Stärke hätten solch zerstörerischer Gewalt nicht widerstehen können ...
    »Duquesne.« Ninians drängende Stimme rief ihn in die Gegenwart zurück. Über ihnen knirschte es bedrohlich und als er aufsah, neigten sich auch hier die hölzernen Bankreihen unheilverkündend nach vorne.
    Er schüttelte die Erstarrung ab, packte das Mädchen fester um die Mitte und wandte sich dem Eingang der Loge zu, aber bevor er einen Schritt tun konnte, zerschmetterte der Türsturz mit dem buntbemalten Fries kämpfender Gladiatoren die marmornen Bodenplatten und begrub unter sich die Liegen, mit denen Jermyn und Ninian den Patriarchen hatten ärgern wollen. Vor allem aber versperrte er ihnen den Weg.
    Gehetzt sah Duquesne um sich. Die Westseite des Zirkus war in Bewegung geraten, wie Wellen liefen die Erschütterungen über die steinernen Stufen. Auf ihrer Seite war es noch ruhig, nur ab und zu spürte Duquesne ein unruhiges Beben durch die Sohlen seiner Stiefel.
    »Wir müssen hinauf, über die inneren Treppen«, schrie er über den Lärm und Ninian nickte nur. Er hob sie über die Logenbrüstung auf die angrenzenden Steinstufen, sprang hinterher und legte sich ihren Arm über den Nacken.
    »Kann nicht laufen«, murmelte sie, als er sie mit sich die Stufen hochzerrte. Ihre Füße schleiften über den Boden, mehr als einmal glitt sie auf dem glatten Marmor aus. Schließlich musste er einsehen, dass sie nicht Herrin ihrer Glieder war. Er hob sie auf und lief weiter. Sie legte ihm die Arme um den Hals und machte sich leicht, doch obwohl sie ihm nicht schwerer als ein Kind schien, hämmerte sein Herz, als sie den nächsten, freien Aufgang erreichten. Dunkel gähnte ihm der Treppenschacht entgegen und einen Moment zögerte er, den Fuß auf die Stufen zu setzen.
    Es widerstrebte ihm, die scheinbare Sicherheit der offenen Arena gegen die Gänge und Gewölbe im Inneren des wankenden Kolosses zu tauschen. Jedes Kind in Dea lernte, die Gebäude zu verlassen und das Freie zu suchen, wenn etwas heftigere Erdstöße die Stadt heimsuchten. Nun mussten sie sich zwischen klafterdicke Mauern und unter tonnenschwere Decken wagen, wenn sie lebend herauskommen wollten.
    Während Duquesne noch unschlüssig an der obersten Treppenstufe stand, knickte der obere Teil der westlichen Fassade ein und stürzte donnernd in die Arena. Die Trümmer der Rundbögen und Pfeiler schossen durch die Luft, die ungeheure Wucht des Aufpralls durchschlug die übriggebliebenen Holzbohlen und Mauerreste, Säulentrommeln und Kapitelle krachten in die unterirdischen Anlagen. Eine gewaltige milchiggraue Wolke erhob sich über den westlichen Sitzreihen, Windböen fuhren durch die riesige Lücke hinein und eine gewaltige Wand aus Staub raste auf Duquesne und das Mädchen in seinen Armen zu. Staub brannte in seinen Augen, in der Kehle und füllte seine Lungen.
    Er wandte sich um und floh mit seiner Last die Treppe hinab. Die Wolke wirbelte hinter ihnen her, bedeckte

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