AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Auftrag gegeben und die Sache eingefädelt. Auf schmutzigem, aber todsicherem Weg ist er an den Brautschatz gekommen und hat ihn in seinem Hause versteckt. Das Wie und Wo geht dich nichts an, aber ich brauche einen Gefährten, es ist unmöglich, den Schatz allein zu holen. Mein Gefolgsmann ist ungeeignet, ich muss mir jemand anderen suchen.«
»Du wirst einen von meinen Männern mitnehmen. Es dürfen nicht mehr Leute als nötig von dieser Sache erfahren«, warf Duquesne ein.
»Ach, ja?«, höhnte Jermyn, »und wer von deinen Leute kann eine senkrechte Wand hochlaufen? Das ist nämlich der einzige Weg, über den man unbemerkt in das Haus des Ehrenwerten gelangt. Nein, ich suche mir selbst jemanden aus, aus meinen Kreisen.«
»Da kenne ich auch genug, einige sind mir verpflichtet. Unter denen wirst du einen wählen. Ich traue dir nicht, versuch keine Mätzchen, ich werde dich die ganze Zeit im Auge haben. Zeig mir den Ring aus dem Brautschatz, von dem dein Gefolgsmann geredet hat.«
»Glaubst du, den trag ich mit mir herum? Nein, du musst mir schon glauben, dass ich ihn gut versteckt habe. Ich soll also einen von deinen Abhängigen mitnehmen. Gestatte wenigstens, dass ich sie vorher prüfe. Die Mauer ist schwierig, da braucht's einen guten Kletterer, sonst kannst du ihn vom Pflaster kratzen.«
»Morgen Abend kannst du die im Schwarzen Hahn treffen, die mir geeignet erscheinen, und sie zwei Tage lang prüfen. Aber in der Nacht danach, wenn der Mond voll ist, musst du zeigen, ob du mehr bist als ein Maulheld.«
»In einer Kneipe? Damit alle Welt mitkriegt, was wir vorhaben?«
»Du tust, was ich sage! In dieser Schenke sind die Gäste mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt und von Fortunagras Leuten treibt sich dort keiner herum.«
Seine Stimme klang bitter und Jermyn hob beschwichtigend die Hände.
»Schon gut, schon gut, in zwei Tagen im Schwarzen Hahn.«
Er stand auf, reckte sich und zuckte zusammen, als ihn ein brennender Schmerz an seine Wunde erinnerte.
»Kommt allerdings drauf an, wie sich das hier entwickelt. Hoffentlich hat dein Heiler gute Arbeit geleistet.«
»Du bist seine Arbeit gar nicht wert! Jetzt geh mir aus den Augen, sonst vergesse ich mich. Wenn du mir etwas mitteilen musst, leg einen Zettel in die dritte Nische von unten in der Figurensäule am Anfang des Ruinenfeldes. Oder kannst du nicht schreiben?« Duquesne konnte seine Abscheu kaum noch unterdrücken.
Jermyn betrachtete ihn neugierig. »Du bist ganz anders als Donovan, aber wenn du dich ärgerst, blähst du die Nüstern genau wie er. Blut lässt sich eben nicht verleugnen.« Er grinste, als Duquesne aufsprang, an die Tür hämmerte und nach dem Schließer brüllte.
»Schmeißt ihn raus, aber lasst ihn nicht aus den Augen!«, fauchte er, als der Mann aufschloss.
Dann stürmte er durch die finsteren Kellergänge davon und alle, die ihm begegneten, zogen die Köpfe ein.
Ohne es zu ahnen, hatte Jermyn einen wunden Punkt getroffen. Als Sohn einer Mätresse sah Duquesne seine Stellung immer gefährdet, trotz aller Verdienste und der Treue, die er als Hauptmann der Stadtwache seit Jahren bewies. Wie er wohl wusste, war dem Patriarchen sein Eifer, Gesetz und Ordnung zu ihrem Recht zu verhelfen, nicht selten ein Dorn im Auge. Das empfindliche Gleichgewicht unter den mächtigen Familien wollte gewahrt bleiben. Es ging nicht an, die unredlichen Geschäfte einer Adelssippe aufzudecken und den Patriarchen so zu zwingen, einen aus seiner Seilschaft in Acht und Bann zu tun. Duquesne wusste das und litt darunter. Niemals würde der alte Mann einer Durchsuchung von Fortunagras Palast zustimmen, wenn nicht handfeste Beweise vorlagen. Der Ehrenwerte war seit vielen Jahren sein Weggefährte, sie standen sich an Schläue und Verschlagenheit in nichts nach.
Vor seiner Amtstube angekommen, bellte Duquesne den Wächtern zu, dass er nicht gestört werden wollte. Er hatte reichlich zu tun, aber die Schriftstücke auf seinem Tisch blieben unberührt, während er über dem Zwiespalt brütete, vor dem er stand.
Handelte er auf eigene Faust, ging er ein großes Wagnis ein. Nur ein durchschlagender Erfolg würde seine Eigenmächtigkeit rechtfertigen. Versagte er, konnte ihn nichts vor der Verdammnis bewahren. Selbst er fürchtete die seltenen, aber heftigen Wutausbrüche des Patriarchen und er wusste genau, was ihn erwartete, wenn er scheiterte. Mehr als einmal hatte der Patriarch gedroht, ihn gnadenlos in die Heimat seiner Mutter zu verbannen, wenn
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