AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Erst hatte er die leeren Wassereimer füllen müssen, die Suche nach einem leidlich sauberen Hemd brauchte ihre Zeit und zuletzt musste er die nassen Lumpen von seinem Bett werfen.
Als endlich alles gerichtet war, öffnete er den Backofen, wo er gerne Leckerbissen vor Jermyn versteckte, holte eine Schale mit kandierten Pflaumen hervor und kroch zurück auf sein Lager.
Seufzend lehnte er sich zurück, wählte mit spitzen Fingern eine klebrige Frucht und biss genüsslich hinein.
Er konnte einen ganz schön in Schrecken versetzen, der Patron. Das Abenteuer mit dem grässlichen Duquesne neulich ... noch jetzt wusste Wag nicht, was ihn mehr in Angst versetzt hatte – der Bastard, die furchterregende Schwarze oder Jermyns böse Blicke, als Wag gestehen musste, dass er alles ausgeplaudert hatte. Zum Glück war es seitdem friedlich gewesen, er führte eine weitere Pflaume zum Mund, heute nacht würde hoffentlich nichts mehr seine Ruhe stören ...
Als die Tür zum zweiten Mal aufflog, fuhr ihm der Schreck in die Glieder, dass es ihn nur so schüttelte. Die Schale an die Brust gepresst, sah er verstört zu, wie Jermyn durch die Küche fegte, in alle Körbe und Amphoren schaute und selbst den kalten Backofen nicht ausließ. In banger Vorahnung zog er den Kopf ein: Die Vorräte waren seit dem letzten Streifzug recht zusammengeschrumpft. Altes Brot, harter Käse und ein Rest angeschimmelter Bohnen – mehr gab es nicht zu holen. Und richtig, der schwarze Blick fiel auf ihn und Wag rutschte tiefer in seine Decken.
»Gibt's denn in diesem ganzen verdammten Loch nichts zu essen?«
Wag klapperte mit den Zähnen, doch ehe er etwas zu seiner Rechtfertigung stammeln konnte, hatte Jermyn das kandierte Obst entdeckt. Ohne Umstände riss er die Schale an sich und verschwand.
»Jetzt blas mich aber am Kopp«, murmelte Wag verärgert. Er folgte Jermyn in die Halle, wo er ihn eben über den Mauerpfeiler im oberen Stockwerk verschwinden sah.
»Hier, was anderes hab ich nicht gefunden ...«
Mehr konnte Wag nicht verstehen, aber es reichte, um seine Neugierde auf's Äußerste anzustacheln. Jermyn war nicht allein dort oben! Er hatte jemanden in sein geheiligtes oberes Stockwerk gelassen. Die Leiter war nicht angelegt, offenbar konnte auch der Fremde klettern. Ob Jermyn seinen zweiten Mann gefunden hatte? Eifersüchtig auf den Unbekannten, beschloss Wag, sich auf die Lauer zu legen. Er kehrte in die Küche zurück und ließ die Tür einen Spaltbreit offen, um nichts zu verpassen.
Nachdem Jermyn verschwunden war, zog Ninian ihre Stiefel an und sah sich um. Er lebte einfach, die Einrichtung war spärlich bis auf die eigenartigen Holzgerüste, die einen großen Teil des Raumes einnahmen. Aus Leitern zusammengebaut, mit Lederschlaufen und Gewichten ausgestattet, wirkten sie fast bedrohlich.
Sonst gab es einen wackeligen Tisch, den Hocker, auf dem sie saß, eine Truhe aus Korbgeflecht und in einer Nische neben dem Kamin eine hölzerne Pritsche. Insgeheim erleichtert sah sie ein Kopfpolster und zerwühlte Decken. Er schlief hier, nicht in dem großen Bett ...
Ihr leerer Magen schmerzte und eine merkwürdige Steifheit zwängte ihre Kiefer zusammen. Sie war bei Jermyn, sie würden gemeinsam klettern wie im Haus der Weisen. An den Einbruch, seine »große Sache«, dachte sie kaum.
Auf der Truhe lag das schwarze Wams, das er gerade ausgezogen hatte. Sie nahm es auf und legte es an ihre Wange. Es war warm, sein Geruch hing in dem weichen Stoff ...
Von unten erklangen Stimmen und Geräusche, hastig legte sie das Kleidungsstück weg und als Jermyn hereinkam, stand sie in die Betrachtung der Gerüste versunken.
»Dazu kommen wir nachher, erst essen wir. Hier, was bessres hab ich nicht gefunden.«
Er reichte ihr eine Tonschale mit gezuckerten Früchten und steckte sich selber eine in den Mund.
»Und hier ist Wasser, was anderes gibt's nicht.«
Sie hob die Brauen.
»Keine Stärkungsmittel und Kräutertränke?«
Er grinste ohne Verlegenheit.
»Das hast du dir gemerkt? Ich hab's mir abgewöhnt. Ist nicht gut für den Kopf«, er tippte sich an die Stirn, »und nicht gut für's Klettern. Und ich brauch hier beides.«
»Hat es sich doch gelohnt, dass die Väter dich zu sich geholt haben?«, neckte sie ihn.
»Ohne sie wäre ich tot«, erwiderte er trocken, »schau nicht so verschreckt. Dea ist kein Bergnest, das hast du doch selbst gemerkt. Was wir gleich machen, ist gefährlich.Wir legen uns mit einem der mächtigsten und bösartigsten
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