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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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schlenderten davon, während die jungen Männer ihnen mit offenen Mündern nachstarrten.
    »Es scheint dich nicht beunruhigt zu haben, dass ich plötzlich verschwunden war«, bemerkte Ninian nach einer Weile, »hat ja etwas gedauert, bis du aufgetaucht bist.«
    Jermyn hob erstaunt die Brauen.
    »Weshalb sollte ich mir Sorgen machen? Schließlich bist du aufgeladen, dass dir die Funken nur so aus den Augen sprühen. Ich dachte immer, du kannst auf dich selbst aufpassen.«
    Sie rümpfte die Nase, fragte aber nur:
    »Kanntest du den Kerl? Er wusste, wer du bist.«
    »Ich hab' dir doch gesagt, dass ich in bestimmten Kreisen mittlerweile einen gewissen Ruf habe«, erwiderte er selbstgefällig.
    »Ja, ja, in den dunklen Vierteln und in bestimmten Kreisen, du meinst doch wohl ... hm, deinesgleichen, aber der kam aus einer vornehmen Familie.«
    »Pah, du wirst schon noch merken, wie viel die mit ... hm, meinesgleichen zu tun haben«, spottete er. »Oder glaubst du, die kriegen das ganze Geld, das sie ausgeben, von ihrem Alten? Die Geldverleiher haben keine besseren Kunden und nicht jedes Schmuckstück, das bei den Hehlern landet, ist von Dienern gestohlen worden, obwohl die armen Teufel dafür bluten müssen.«
    »Du machst dir auch keine Gedanken über diese armen Teufel«, gab sie bissig zurück, »du brüstest dich doch sogar damit, dass du in Gemächer eindringst, die man eigentlich nur mit Flügeln erreichen kann. Wenn etwas verschwindet, kann der Diebstahl nur ihnen angelastet werden!«
    »Das ist was anderes, schließlich arbeite ich ja hart dafür«, behauptete er frech, »außerdem sind sie selbst schuld, wenn sie dumm genug sind, für die reichen Säcke zu schuften.«
    Sie hatten die prächtigen Bauwerke und Skulpturen hinter sich gelassen und waren in ein Gewirr enger, kotiger Gassen eingetaucht. Zwischen den schmalbrüstigen Häusern herrschte trübe Dämmerung, sie neigten sich so weit zueinander, dass nur ein schmaler Spalt des Himmels zu sehen war. Leinen waren von Fenster zu Fenster gespannt und graue, zerschlissene Wäsche streifte die Köpfe der Vorübergehenden. Den allgegenwärtigen Geruch nach Seifenlauge, gekochtem Kohl und Jauche bemerkte man nach einer Weile nicht mehr.
    Unzähliges Volk schob sich durch die Gasse, wimmelte in Läden und Werkstätten, geschäftig, streitsüchtig und laut. Hier herrschte noch nicht die brütende Trägheit der Elendsviertel. Handwerker und Händler, Garköche und Fuhrleute machten Geld auf der Straße und in den Hinterhöfen. Daneben gab es jene, die vom Verdienst der Fleißigen lebten – Gaukler trieben Allotria, Bettler streckten klagend ihre Hände empor und Wächter bahnten sich gebieterisch einen Weg durchs Gewühl. Scharen von Kindern tummelten sich dazwischen; die glücklichen spielten, die anderen arbeiteten, bettelten oder stahlen.
    Vor einigen Tagen hatte ein kleines Mädchen im Gewühl in Jermyns Tasche gegriffen und nach seiner Börse geangelt. Er hatte es gemerkt, das dünne Handgelenk gepackt und festgehalten. Weit aufgerissene Augen hatten angstvoll aus einem mageren, schmutzigen Gesicht zu ihm aufgesehen. Jermyn hatte das Kind aus dem Menschenstrom gezogen, sich hingehockt und leise auf es eingesprochen:
    »Hör zu, kleine Schwester, nächstes Mal suchste dir 'nen trägen Pfeffersack oder 'ne dicke Mamsell. Und denk an die Schellen – du darfst deine Opfer nie berühren. Wenn se dich erwischen, tritt 'nen Kerl unter's Knie, schau, hier, bei 'nem Weib kannste heulen, meistens werden sie weich, dann reißte dich los. Jetzt lauf, behalt die Börse, aber komm mir nicht mehr unter die Augen!«
    Kaum hatte er sie losgelassen, war die Kleine blitzschnell in der Menge verschwunden. Er hatte gegrinst, bis er Ninians vorwurfsvollem Blick begegnete.
    »Warum hast du sie laufen lassen? Sie wird doch weiter stehlen. Kann man ihr nicht helfen?«
    »Wie denn? Willst du dich um sie kümmern? Sie kriegt heute Abend wenigstens keine Schläge, wenn sie eine gut gefüllte Börse abgibt. Ja, ja, schon gut«, er hob abwehrend die Hand, als sie den Mund öffnete, »es ist schlecht, dass kleine Mädchen stehlen. Aber bei ihrem Meister hat sie immerhin so was wie ein Zuhause und wenn sie eine gute Diebin ist, braucht sie wenigstens nichts schlimmeres zu machen. Vergiss nicht, ich weiß, wovon ich spreche und du nicht!«
    Seine Stimme hatte hart, fast verächtlich geklungen und Ninian hatte geschwiegen.
    Es war nicht das einzige Elend, das ihnen begegnete. Sie sahen

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