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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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nicht.«
    Er ließ sich nicht davon abbringen und so kletterten sie und übten an den Geräten, wenn sie nicht durch die Straßen zogen. Das Klettern liebte Ninian, auf die Übungen hätte sie verzichten können. Aber sie konnte nicht leugnen, dass ihre Kraft und ihre Ausdauer wuchsen.
    Jermyn war ein guter Lehrmeister, hart zu ihr wie zu sich selbst. Nicht selten wütete sie gegen ihn, wenn er sie eine Mauer wieder und wieder hinauf jagte und immer noch Fehler fand. Aber auch sie stellte seine Geduld auf die Probe. Wo er nur Griffe und Tritte suchte, sah sie Skulpturen und Ornamente, die sie betrachten wollte. Dann hing sie reglos am Seil, strich liebevoll über bunte Rankenmuster, die sich in der Nähe in winzige Würfel auflösten und überhörte seine Anweisungen. Oder sie weigerte sich, auf fein gemeißeltes Maßwerk zu treten, um es nicht zu beschädigen, was er albern nannte.
    Einmal war sie, angelockt durch die lebhaften Farben eines Wandgemäldes, in einen Saal geklettert, ohne Jermyn, der ein gutes Stück über ihr hing, Bescheid zu geben.
    »Ninian ... Ninian!«
    Sie war ans Fenster gestürzt und einen Augenblick später war er zu ihr in das Zimmer gesprungen, weiß vor Zorn.
    »Bist du wahnsinnig geworden? Du kannst doch nicht einfach so verschwinden. Ich hab gedacht, du wärst abgestürzt! Mach so was nie wieder, hörst du!« Noch nie hatte er sie so angeschrien, aber die Angst in seiner Stimme hatte sie davon abgehalten, zurückzuschreien. Als er fertig war, hatte er ihre Hand ergriffen.
    »Versprich mir, dass du dich meldest, wenn du den Drang verspürst, auf Entdeckungsreise zu gehen.«
    Sie hatte es versprochen, aber verstehen konnten sie einander nicht. Jermyn wäre es nie in den Sinn gekommen, den Fluss der Bewegungen zu unterbrechen, um in ein Fenster zu schauen, während Ninian nicht begriff, dass er blind für solche Wunder war.
    Immerhin machte er Partien mit ihr, auf denen sie ihre Gier nach Malereien und Steinbildern befriedigen konnte. Ihre Fragen vermochte er jedoch nicht zu beantworten.
    »Ich bin kein Kunstkenner«, meinte er schließlich erbittert, »so was musst du Vitalonga fragen.«
    Sie hatte ihn beim Wort genommen und seither besuchten sie regelmäßig den alten Mann, der in Ninian eine verwandte Seele entdeckt hatte. Jermyn saß gelangweilt dabei und ließ sich mit Kahwe besänftigen, der ihm zur Sucht geworden war, bis die beiden es leid waren, sich über die Schreibtafel zu verständigen. Danach musste er Vitalonga seine Stimme leihen, bis er heiser war und ihn weder Bitten noch vorwurfsvolle Blicke bewegen konnten weiterzureden.
    Sein Interesse erwachte nur, wenn es um den Wert von handlichen Kostbarkeiten ging. Als Vitalonga erzählte, wie hoch Sammler Münzen aus der Alten Zeit schätzten und welche Summen sie dafür zahlten, stellte er sogar Fragen. Die Auskunft schien ihm nicht zu gefallen und auf dem Heimweg fragte Ninian:
    »Warum hast du so ein saures Gesicht gemacht?«
    »Pah, woher soll man wissen, dass eine Handvoll abgegriffener Silbermünzen ihr Gewicht in Gold wert ist, bloß weil die Nase von 'nem alten Kaiser drauf ist.«
    Sie war herzlos genug, ihn auszulachen und jedes Mal, wenn er sich über ihre Vernarrtheit in altes Zeug lustig machte, erinnerte sie ihn an das, was ihm durch seine Unwissenheit entgangen war.
    An diesem schwülen Vormittag war ihnen beiden nicht nach Neckerei zumute. Als Jermyn ihre Sicherungsleine prüfte, löste sich der Knoten.
    »Was ist los mit dir? Sonst kannst du das doch besser. Mit so einem Pfusch bist du nur noch ein hässlicher, feuchter Fleck auf dem Pflaster, wenn du den Halt verlierst«, sagt er kalt. »Oder hast du es absichtlich gemacht? Weil du keine Lust hast?«
    Er griff nach dem Seil, aber sie riss es ihm aus der Hand.
    »Nein«, fauchte sie, »gib her, ich mach' es selbst.«
    Schweigend band sie den Knoten neu und begann hinter ihm den Aufstieg. Sie waren die Kaiserfassade schon öfter gegangen, aber heute hatte Jermyn sich für den geraden Weg über einen Teil der Mauer entschieden, der nie mit Maßwerk verziert gewesen war. Hier trat der schiere zartgelbe Sandstein hervor und Finger und Zehen fanden nur in den winzigen Unebenheiten des natürlichen Steines Halt.
    Es war eine der schwierigsten Touren im ganzen Ruinenfeld und Ninian fragte sich, ob er sie absichtlich gewählt hatte, um sie zu ärgern.
    Ihre Knöchel schrappten schmerzhaft über die raue Oberfläche, als sie sich mit der Fußspitze abdrückte und nach oben

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