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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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für eine Schinderei.«
    Er antwortete nicht und sie richtete sich auf.
    »Jermyn?«
    Sie war allein auf dem Dach. Sie stürzte zu den Zinnen, aber auch das Sims war leer. Mit einem Schrei fiel sie auf die Knie und schob sich an den Rand des Vorsprungs.
    »Oi Ninian, keine Angst, alles bestens!«
    Der Überhang verbarg ihn vor ihren Blicken, als sie ihn endlich sah, hatte er sich schon ein gutes Stück abgeseilt. Er winkte grinsend. Ein Verdacht erwachte in ihr, hastig blickte sie unter sich und fand ihn bestätigt – das Seil war verschwunden.
    »Jermyn, was soll das?«
    »Du hast gesagt, du seist es leid, hinter mir her zu zockeln«, rief er, »und du seist so gut wie ich. Wenn das stimmt, kommst du auch ohne Seil herunter. Wenn nicht, kannst du dir immer noch einen gefälligen Wind herbeirufen. Aber ich glaube, du schaffst es. Viel Glück, denk an das, was ich dir beigebracht habe.«
    Sie verstand jedes Wort. In der reglosen Luft trug seine spöttische Stimme weit.
    Stumm sah sie zu, wie er unten anlangte, das Seil aufwickelte, über die Schulter schlang und davon schlenderte. Es hatte keinen Sinn hinter ihm herzurufen, er würde nicht zurückkommen.
     
    Stunden später kehrte Jermyn pfeifend in den Palast zurück. Er hatte den Tag angenehm verbracht und klimperte vergnügt mit den Münzen, die er beim Himmelsspiel und beim Wetten gewonnen hatte. Es machte mehr Spaß zu spielen, wenn niemand dabei war, der sich langweilte und ungeduldig auf das Ende der Partie wartete. Als er übermütig den Pfeiler hoch turnte, machte er sich keine großen Sorgen über den Empfang, der ihn erwartete. Wenn sie es alleine geschafft hatte, würde sie triumphieren und er hatte endlich die Gewissheit, dass ihr nichts mehr zustoßen konnte. Hatte sie einen Wind herbeigerufen, so war ihr Ärger sicher mittlerweile verraucht. Giftige Worte konnte er aushalten.
    »Oi, Ninian«, rief er, als er sich auf die Galerie schwang, »wie lange hast du gebraucht?«
    Einen Atemzug später stürzte er in die Küche.
    »Wo ist sie?«
    Wag sah ihn erstaunt an.
    »Weiß nich, Patron. Ich dachte, ihr wärt zusammen unterwegs.«
    »Warst du den ganzen Tag hier?«
    »Jawoll, Patron, den ganzen Tag«, erwiderte Wag tugendhaft und beeilte sich, die Wäsche hochzuhalten, über die er sich heute zähneknirschend hergemacht hatte. Aber Jermyn war schon fort.
    So schnell war er noch nie durch die Ruinen gelaufen.
    »Ninian«, schrie er, als er den Wachturm erreicht hatte. Ihr Kopf erschien kurz über der Kante des Überhangs und verschwand sofort wieder. So schnell er konnte, kletterte er hinauf und hakte das Seil ein. Auf dem Sims konnte er sie nicht entdecken.
    »Ninian!«
    »Lass das Seil da und verschwinde. Ich will dich nicht sehen!«
    Ihre Stimme kam hinter den Zinnen hervor, so kalt und böse, wie er sie noch nie gehört hatte.
    »Hast du die ganze Zeit hier oben gehockt?«, fragte er trotzdem, mehr belustigt als besorgt. Ein paar Stunden Langeweile – mehr konnte ihr nicht zugestoßen sein. »Warum hast du keinen Wind gerufen?«
    »Weil sich am ganzen verdammten Himmel nicht das kleinste verdammte Lüftchen regt, du überheblicher, eingebildeter Mistkerl!«, schrie sie, aber ihre Stimme schwankte verdächtig. »Hau ab, verschwinde, lass mich in Ruhe!«
     
    Nachdem er verschwunden war, hatte sie ihrem Zorn zunächst freien Lauf gelassen und ihn mit allen Schimpfnamen belegt, die sie seit ihrer Ankunft in Dea aufgeschnappt hatte. Als der Vorrat erschöpft war, hatte sie sich halbwegs beruhigt und versucht, die Kante ohne Seil zu überwinden. Sie war gescheitert.
    Jermyn war die entscheidenden Zoll größer, sie konnte die Wand nicht mit den Füßen erreichen, obwohl sie es versuchte, bis sie beinahe den Halt verlor. Ihre Kraft reichte gerade noch, um sich auf das Sims zu ziehen. Danach konnte sie sich nicht zu einem weiteren Versuch überwinden.
    Mit einem Schlag war die Wut zurückgekehrt, aber alles Fluchen half nicht, sie musste sich geschlagen geben und hatte nach einem passenden Wind gerufen. Da erst war ihr das ganze Ausmaß ihrer misslichen Lage aufgegangen.
    Es gab keinen Wind. So sehr sie auch suchte, die Luft lag bleiern über dem Land. Selbst über der Inneren See regte sich kein Hauch und vielleicht hätten sie die wütenden Flüche der Seeleute getröstet, deren Schiffe in der Flaute gefangen waren.
    Als sie endlich eine Luftbewegung fand, war sie soweit entfernt, dass sie auf dem Weg nach Dea alle Kraft verloren hätte und nicht stark

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