AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
sie in diese missliche Lage gebracht. Jetzt war sie fort und obwohl sie gesagt hatte, sie käme zurück, drückte ihn die Angst.
Und wenn sie im Stadthaus auf Duquesne traf? Er hatte sie arg beleidigt, aber er wusste, dass er sich geirrt hatte. Was lag näher, als sich zu entschuldigen, wenn sie sich jetzt wieder begegneten, und warum sollte sie die Entschuldigung nicht annehmen? Duquesne hatte sie beeindruckt, er war ein gut aussehender Mann und ihr Zorn auf Jermyn würde ein übriges tun. Nichts verband so sehr wie ein gemeinsamer Groll.
Jermyn klammerte sich an die Leiter und presste die Stirn gegen die Sprossen.
Wenn Ninian glaubte, seine Zuneigung sei zu bloßer Freundschaft abgekühlt, fühlte sie sich am Ende frei für die Liebe zu einem anderen Mann. Schon nach diesen wenigen, unerfüllten Wochen konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Er würde es nicht ertragen, sie zu verlieren, und wenn sie sich einem anderen zuwandte ...
Er ließ die Fäuste gegen das hölzerne Gestell krachen und der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Aber er reichte nicht und wie früher unterwarf er seinen Leib der Folter strengster Übungen, bis jeder Knochen schmerzte, um die Dämonen in seiner Seele in Schach zu halten.
*
»Wo ist Jermyn?«
Wag hatte nicht gezählt, wie oft er vergeblich in die Halle gelaufen war, weil er geglaubt hatte, Schritte zu hören. In der Küche fand er beim besten Willen nichts mehr zu tun und so wienerte er seinen Kupferkessel, bis er sich darin spiegeln konnte. So vertieft war er in den Anblick seines grotesk verzerrten Gesichts, dass er den Kessel fallen ließ, als Ninian in der Tür stand. Es schepperte ohrenbetäubend, er zog die Schultern hoch und kniff die Augen zusammen, dann stürzte er auf sie zu, strahlend vor Freude.
»Da biste ja, Patrona«, in seiner Erleichterung vergaß er, dass er sie nur für sich so nannte. »Du gehs doch nich wirklich weg, oder?«
Ninian hob den Kessel auf, sie lächelte.
»Nein, ich hab nur nach meinem Pferd gesehen und einen Besuch gemacht. Weißt du, wo Jermyn ist?«
»Draußen, am alten Wachturm.«
Jermyn, der niemals sagte, wohin er ging, hatte dies ganz nebenbei erwähnt und Wag, der sich von der Beiläufigkeit nicht hatte täuschen lassen, richtete es getreulich aus. Ninians Gesicht verfinsterte sich.
»Er kann sich wahrhaftig unbeliebt machen, dein Patron!«
Wag nickte eifrig.
»Wem sagste das? Aber du kennst ihn doch, oder? Ab un an is er eben so 'n bisschen meschugge«, er tippte sich vielsagend an die Stirn. »Bevor du gekommen bis, hat er manchmal tagelang kein Pieps gesagt un wehe wenn ich was gesagt hab, da is er mir fast ins Gesicht gesprungen, un wenn er den Mund aufmachte, kam nur Gift un Galle raus. Er weiß, wo's wehtut, der Jermyn!«
Wag schüttelte nachdenklich den Kopf.
»Aber weißte was? Ich kenn welche, die machen des zum Spaß oder weil se sehn wollten, wie sich so 'n armer Wurm krümmt. Aber der Patron, ich weiß nich ... ich hatt immer das Gefühl, als tät ihm auch was weh und als würd er's nur weitergebn, so wie man den armen Kerl kneift, der einen festhält, wenn der Bader 'nen Zahn zieht.« Seine Miene hellte sich auf. »Aber seit du da bist, is er anders. Ich hatt schon lang nich mehr das Gefühl, ich müsst über rohe Eier laufen, wenn du verstehst, was ich meine und ich spür's im Gedärm – wenn du weggehst, wär's wie früher oder noch schlimmer un das möcht ich nich erleben. Also nimm's ihm nich übel, wenn er mal überschnappt, aber bleib bei uns, Patrona.«
Wag hatte mit sichtlicher Bewegung gesprochen und zuletzt glänzten seine Augen verdächtig.
Ninian hatte überrascht zugehört.
»Du hast ihn gern, nicht wahr?«, fragte sie, gerührt von seiner Rede. Der kleine Mann nickte.
»Er hat mir das Leben gerettet un mich angenommen, obwohl's ihm zuwider war«, antwortete er schlicht. »Ohne ihn wär ich tot oder 'n Krüppel, was auf's Gleiche rausgekommen wär. Ich versteh ihn nich immer un manchmal hab ich Angst vor ihm, aber ich werd sein Gefolgsmann sein, solange ich lebe, auch wenn er sich darüber lustig macht. Nur – wenn du weggehst, wird er mich auch wegschicken.«
Flehend sah er sie an und sie schüttelte den Kopf.
»Nein, hab keine Angst, Wag, das tue ich nicht.«
Sie sah sich um und ihre Augen blitzten lustig.
»Vor allem, wo wir anscheinend endlich einen ordentlichen Haushalt bekommen. So sauber war es hier noch nie.«
Tatsächlich glänzte in der Küche, was
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