AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
Boden gekauert, die Hände flach auf die Erde gepresst und das wankende Gestein hatte sich beruhigt. Allerdings war ihre Stirn danach schweißbedeckt und man hatte ihr die Anstrengung angesehen.
Das Fürstenpaar würde zufrieden sein, vor allem aber die verehrte Lady Eyra, Avas ältere Tante. Sie hatte verlangt, dass das Mädchen ins Haus der Weisen gebracht wurde – gebieterisch und keinen Widerspruch duldend, wie es ihr Art war.
Unten im Garten war Donovan aufgestanden, um seine Laute fortzubringen. Ava drehte sich um und schaute zur Zeder empor.
Vater Dermot beugte sich vor. Es gab keinen Zweifel, wohin ihr Blick ging.
Der Vater kniff die Augen zusammen. Jermyn hob fragend die Brauen und deutete mit dem Daumen über die Schulter. Ava lächelte, nickte kaum merklich und wandte der Zeder den Rücken zu, während Jermyn sich anschickte, seinen luftigen Sitz zu verlassen.
Beunruhigt trat Vater Dermot zurück, das zufriedene Grinsen des Jungen war ihm nicht entgangen.
Ein geheimes Zeichen, eine heimliche Verabredung? Zwischen diesen beiden? Nie war ihm aufgefallen, dass Ava sich gegen Jermyn anders benahm als gegen die beiden anderen, sie schien nicht zu bemerken, dass sie ein Mädchen unter jungen Männer war. Sie war immer gleich freundlich auf ihre seltsam gleichmütige Weise.
Er erinnerte sich, was Vater Pindar von der Unterredung mit Avas Tanten berichtet hatte.
»Nehmt sie mit und findet heraus, was mit ihr los ist«, hatte Lady Eyra gesagt. »Ich sehe etwas Dunkles über ihr, das ich nicht deuten kann. Ich weiß nicht, ob es mit ihren Fähigkeiten zusammenhängt, aber da gibt es eine Verstrickung, die mir unheimlich ist.«
Sie vermochte besser als jeder Vater das zarte Geflecht zu durchschauen, das von den Gestirnen zu den Menschen reichte und ihre Geschicke lenkte. Wenn sie zugab, die Fäden nicht entwirren zu können, so hörte man besser auf sie. Und ihre Schwester Lalun war weise auf ihre Art.
»Ja, sie ist zu gleichmütig, zu unbewegt für ein junges Mädchen – das ist nicht gut. Es wird Zeit, dass etwas ihr Herz erschüttert. Das wird nicht hier in Tillholde geschehen, wo sie sich mit jedem Buben ihres Alters im Dreck gekugelt hat. Sie muss in die Fremde.«
Vater Pindar hatte erzählt, dass sich die Schwestern ob ihrer Gründe verächtliche Blicke zugeworfen hatten, aber ihr Ziel war das gleiche gewesen. Avas Eltern hatten schon die Notwendigkeit einer Schulung von Avas Fähigkeiten eingesehen und die Worte ihrer Schwestern wogen schwer bei der Fürstin von Tillholde. So hatten sie sich schweren Herzens für drei Jahre von ihrem einzigen Kind getrennt und Ava in die Obhut der Väter gegeben.
Was aber bedeutete diese seltsame Vertraulichkeit mit einem, der unpassender und gefährlicher nicht sein konnte?
Nie wäre es dem Vater in den Sinn gekommen, Ava oder Jermyn auszuforschen. Die Achtung vor den Schülern verbot es, doch nun besann er sich darauf, dass er seit einiger Zeit eine merkwürdige Spannung zwischen ihnen wahrgenommen hatte, eine Spannung, die auch Donovan umfasste.
Sein Blick fiel auf den Brief, den er eben gelesen hatte und er runzelte die Brauen. Warum hatten gerade jetzt sowohl Avas Eltern als auch der Patriarch ihren Besuch im Haus der Weisen angemeldet? Zur gleichen Zeit? Sollte er das Fürstenpaar von Tillholde warnen, ihnen raten, Ava fortzuholen?
Vater Dermot seufzte. Liebenswürdig und gefällig wie das Mädchen war, hatte sie doch ihren eigenen Kopf und die Eltern ließen ihr, der Einzigen und Spätgeborenen, alle Freiheit. Vielleicht war sein Verdacht unbegründet und er schuf nur Unfrieden zwischen Ava und ihren Eltern, wenn er voreilig sprach, blinder Eifer hatte noch nie genützt. Er würde die beiden jungen Leute scharf beobachten.
Als Vater Dermot hinaussah, lag der Garten in der Dämmerung. Ava und Donovan schlenderten zum Kreuzgang, schwatzend und lachend. Jermyn und Quentin waren schon verschwunden. Der Vater nickte – gewiss war es das Beste abzuwarten.
Als Ava am Fuße des Turmes eintraf, stand Jermyn schon da und hielt abwägend das Seil in der Hand.
»Mit oder ohne?«, fragte er. Sie schaute an der Mauer hoch und zum Mond, der fast voll war.
»Jetzt ohne«, entschied sie, »aber nimm es mit, von Süden kommen Wolken, später wird es dunkler sein. Und ich glaube, wir müssen uns beeilen, es ist so drückend. Vielleicht gibt es ein Unwetter.«
Jermyn nickte und hängte sich das Seil um.
»Du zuerst.«
»Warum?«, fragte sie misstrauisch. Im
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