AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
durch den Wald.
Ich fand mich halbwegs zurecht, aber manchmal war ich unsicher, ob ich auf dem richtigen Weg war. Alles ist gut gegangen, aber trotzdem war ich heilfroh, als ich endlich auf die Wagen traf. Es hatte schon bald zu regnen begonnen und ich war nass bis auf die Haut. Ely dagegen war nicht begeistert über mein Erscheinen.«
Sie lachte in der Erinnerung.
»Meine Rechnung war aufgegangen, er musste mich mitnehmen, aber er tat es nur sehr widerwillig. Später erzählte er, oft sei er nahe daran gewesen, mich mit einer Eskorte zurückzuschicken. Vielleicht wäre ich sogar in Versuchung gekommen, mich zu fügen, denn solange es regnete, war die Fahrt eine elende Schinderei. Es ist verdammt anstrengend, durch den Schlamm zu waten, vor allem in zu großen Stiefeln. Wagen blieben stecken und mussten frei gewuchtet werden, kein Feuer wollte brennen, die ganze Welt bestand aus Nässe und Schlamm. Als ich kein einziges trockenes Kleidungsstück mehr fand, reichte es mir und ich habe Wettermeister gespielt, obwohl die Guten Väter entsetzt gewesen wären. Es hat eine Weile gedauert, bis ich einen Wind fand, der stark genug war, um die Wolken wegzutreiben.«
Sie trank und reichte Jermyn die Wasserflasche. Seine Finger umschlossen die ihren.
»So ähnlich wie neulich?«
Sanft zog sie ihre Hand zurück.
»Nicht ganz so schlimm. Und mit dem schönen Wetter wurde alles besser.«
Sie erzählte, wie sie geholfen hatte, die Wagen flott zu machen und die Männer sie zu ihrem Talisman erkoren hatten. Den lächerlichen Spitznamen verschwieg sie.
Jermyn schnitt eine Grimasse, als er hörte, wie die Fuhrleute Ninian in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten. Er tröstete sich damit, dass die Aufmerksamkeit vieler Männer besser war als die eines einzelnen. Nur Ely, der Wagenführer, und der einarmige Wachmann Tyne tauchten häufiger auf, – beides alte Männer, von denen er nichts befürchtete. Die Frage nach jüngeren brannte ihm auf den Lippen, aber eifersüchtige Reden würden die friedliche Stimmung stören. So fragte er:
»Warum hast du nichts von deinen Kräften erzählt?«
Sie zuckte die Schultern.
»Ich wollte nicht auffallen. Vielleicht gab es unter den Kaufleuten welche, die von den seltsamen Fähigkeiten der Tochter des Fürsten von Tillholde gehört hatte. Wenn er Gewissheit gehabt hätte, wäre Ely nichts anderes übrig geblieben, als Boten zu meinem Vater zu schicken. Ich hätte den Wagenzug verlassen und mich allein durchschlagen müssen. Danach war mir nicht zumute.«
»Hat es dir gefallen, so herumzuziehen?«
Sie schaute in den hohen Sommerhimmel hinauf.
»Ja. Nachdem der Regen aufgehört hatte, mochte ich es. Ich fand es schön, wie sich die Landschaft veränderte, und es gefiel mir, den ganzen Tag in Bewegung zu sein. Aber das Beste war, unter dem dunklen Himmel zu liegen und die Sterne über mir zu sehen. Ich fühlte mich mehr behütet als in dem muffigen Wagen. Ist es dir nicht so gegangen?«, sie sah ihn von der Seite an. »Du bist doch auch vom Haus der Weisen hierher gelaufen.«
Jermyn bewegte den Kopf sachte an der Mauer hin und her.
»Ich hab nichts mitgekriegt von diesem Weg, ich war auf den Beinen, bis ich im Gehen eingeschlafen bin. Ich wollte nicht denken ...«
Er brach ab und sie fragte nicht weiter.
Eine Weile waren nur die spitzen Rufe der Segler zu hören, deren sichelförmige Schatten um den Turm schossen und ein warmer Luftstrom trug den Duft der blühenden Büsche aus dem Hof herauf. Als das Schweigen drückend wurde, sagte Jermyn ungeduldig:
»Du wolltest erzählen, woher der Sinneswandel des misstrauischen Ely kam. Warum schätzte er dich plötzlich so, dass er dir die Bewachung eines ganzen Wagenzuges anvertrauen würde?«
»Soviel ich aus den Unterhaltungen der Fuhrknechte und Tynes Andeutungen verstand«, nahm sie ihre Erzählung wieder auf, »begann an den Schluchten der unangenehmste Teil der Reise. Wie der Name schon sagt, sind sie ein tiefer Einschnitt durch einen langen Ausläufer des Gebirges, den man sonst mühsam umfahren müsste. Ely hat es immer eilig, deshalb nimmt er die Schluchten in Kauf. Ich hatte keine Ahnung, warum sie besonders gefährlich waren, aber je näher wir ihnen kamen, desto schlechter wurde die Stimmung. Die Männer bestanden darauf, dass ich im Wagen blieb. Tyne erzählte mir eine schaurige Geschichte von einem Schurken namens Orp ap Carroi, dem Herrn der Schluchten. Sie machten ein solches Theater, dass ich mich tatsächlich unbehaglich
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