AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
zusammen. Sein Mund drängte, forderte, der heiße Strom verschlang sie und riss sie mit sich fort.
Immer noch tönten die Fanfarenstöße zu ihnen herauf, als Jermyn sich gegen die Mauer sinken ließ. »Ich glaub es nicht! Ausgerechnet hier oben, auf diesem verdammten Turm ...«, murmelte er heiser.
Ninian hörte seine Worte durch einen dichten Nebel. Ohne die Augen zu öffnen, antwortete sie mit fremder, weicher Stimme.
»Wir können runter klettern.«
Er lachte ein wenig, ein zittriges Lachen.
»Ja, geh voran. Ich ... ich warte noch, so kann ich nicht klettern.«
Sie nickte nur, kroch zur Simskante und fand das Seil. Ihre Glieder waren schwer und ungelenk, später wusste sie nicht mehr, wie sie es hinunter geschafft hatte. Der Abendhimmel und die staubige Luft, die von der Stadt aufstieg, verschwammen vor ihren Augen zu goldenem Dunst.
Mit weichen Knien tastete sie sich durch das Geröll und Jermyn stand neben ihr, bevor sie den Durchbruch erreicht hatte. Ohne ein Wort zog er sie an sich und sie schlang die Arme um seinen Nacken. So stolperten sie durch die Maueröffnung zu dem großen, herrschaftlichen Bett und dann verloren sie keine Zeit mehr.
Die pfauenblaue Dämmerung war erfüllt vom süßen Duft der Blüten und dem schweren, salzigen Geruch der Liebe. In das gesättigte Schweigen fielen die Worte wie Regentropfen in einen stillen Teich.
»Du bist endlich ganz zu mir gekommen.« Staunen lag in der brüchigen Jungenstimme.
»Ja, jetzt bin ich bei dir.« Ein Frauenlachen sang dunkel und zärtlich, voll siegreicher Freude.
»Wirst du bleiben? Für immer?«
Zwei, drei Herzschläge Schweigen können sich unerträglich dehnen.
»Ich ... ich weiß es nicht.« Das Lachen war aus ihrer Stimme verschwunden und er wusste, dass er nicht mehr erhoffen durfte. So ließ er Hände und Lippen sprechen und die Antwort kam mit rascher Leidenschaft, zu ihrer beider innigsten Befriedigung.
Einmal erschütterten laute Donnerschläge die verzauberte Stille, aufflackernde Lichter huschten rot und grün und golden über nackte Haut.
»Hörst du? Artos hat es auch geschafft«, ihre Lippen formten die Worte an seinem Hals.
»Aber nicht so schön wie wir«, murmelte er in ihr Haar und dann vergaßen sie, dass es Artos, Sabeena oder irgendeinen anderen Menschen auf der Welt gab.
Das Dröhnen des Feuerwerks war verklungen, statt der bunten, tanzenden Lichter fiel ruhiges weißes Mondlicht in das dunkle Gemach.
Ninian lag auf der Seite, eine Hand unter der Wange, die andere fest mit Jermyns verflochten. Er schmiegte sich an ihren Rücken, den Arm über ihrer Brust und an seinen Atemzügen hörte sie, dass er beinahe eingeschlafen war. Aber sie schaute mit hellwachen Augen in die samtige Dunkelheit und dachte an die Leidenschaft, die sie geteilt hatten. Auf einmal war er ihr fremd gewesen, sie hatte sich selbst nicht mehr gekannt. Mit allen Sinnen hatten sie sich neu entdeckt und waren eins geworden.
Bei der Erinnerung erschauerte sie und Jermyn, der es halb im Schlaf merkte, zog sie enger an sich. Sie lächelte, es war genauso berauschend gewesen, ihn zu spüren, wie sie es sich vorgestellt hatte und er ... sie hatte nicht geahnt, dass er so einsam war.
Bei dem Gedanken an seine beinahe verzweifelte Gier wollten ihr die Tränen kommen, als ihr Magen sie mit ernüchterndem Grollen daran erinnerte, dass es noch andere Bedürfnisse im Leben gab. Sie versuchte, das ärgerliche Geräusch zu überhören, aber es ließ sich nicht verdrängen – es war lange her, seit sie zuletzt gegessen hatten.
»Jermyn?«
»Hm?«
»Ich verhungere.«
»Ich auch«, murmelte er, löste seine Hand aus der ihren und umfasste zärtlich ihre Brust. Sie keuchte leise, aber das andere Gefühl war stärker.
»Nein, ich habe wirklich Hunger.«
Mit leisem Bedauern hörte er, dass die fremde, samtige Stimme verschwunden war. Sie klang wieder wie die Ninian, die er kannte, hell und bestimmt. Mühsam kämpfte er sich aus der wohligen Müdigkeit, die ihn umfangen hielt.
»Du meinst, auf Essen und so?«
»Ja.«
Er rollte von ihr weg und riss im Dunkeln die Augen auf, um die Schläfrigkeit zu vertreiben. Dass sie jetzt daran denken konnte, verstand er nicht. Er verspürte nichts anderes als einen schier unstillbaren Hunger nach ihrer Süße. »Aber es ist mitten in der Nacht, willst du jetzt loslaufen? Bist du nicht müde?«
Er reckte sich gähnend und zuckte zusammen, als sie mit dem Finger über seine Rippen fuhr.
»Nein, ich bin nicht
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