AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
der weiß mit solche Sachen Bescheid un stellt keine dummen Fragen nich. Wenn du mir hinhilfst, können wir da unterschlüpfen. Könnt mir denken, dass der Patron etwas sauer auf uns is.«
Jermyn nickte grimmig.
»Hast recht. Suchen wir deinen Bader.«
Er legte sich den Arm mit der weniger verletzten Hand über die Schulter und fasste den Mann um die Mitte. Als er losgehen wollte, blieb der andere stehen und keuchte:
»Hab noch gar nich danke gesagt, Mann. Ohne dich wär ich meine Greifer jetz los. Übrigens, ich heiß Wag.«
Mit beinahe hündischer Dankbarkeit sah er seinen Retter an, dem der Kopf mittlerweile zum Zerspringen klopfte.
»Ich bin Jermyn«, antwortete er barsch, »jetzt hör auf zu quatschen und komm!«
Er erwachte mit dumpfem Schädel und saurem Geschmack auf der Zunge. Einen Moment lang starrte er an die fleckige, schlecht gekalkte Decke und fragte sich, wo er war. Jemand schnarchte rasselnd auf und er drehte sich hastig um. Neben ihm lag ein schmächtiger Mann in unruhigem Schlaf. Sein Mund stand offen und seine Hände waren mit weißen Binden umwickelt.
Jermyns Erinnerung kehrte zurück. Er war im Haus des Baders, in einer kleinen Kammer über dem Hühnerstall. Der Feldscher hatte ihm einen Schlaftrunk gegen die Kopfschmerzen gegeben, aber der Schädel brummte ihm trotzdem.
Er stöhnte. Im schmutzigen, kalten Licht des Morgens erschien ihm sein Eingreifen überflüssig und gefährlich. Warum kümmerte er sich nicht nur um seinen eigenen Kram? Er hatte den Ehrenwerten ohnehin schon gegen sich aufgebracht, jetzt hing er auch noch in dieser Geschichte drin. Am besten verschwand er einfach heimlich und verkroch sich irgendwo in der großen Stadt, bis der Vorfall vergessen war. Er verzog das Gesicht, als er an seine großspurigen Worte dachte. Was für ein Narr er war!
Leise stand er auf, aber als er nach seiner Jacke griff, fiel das Brett, auf dem sie gelegen hatte, mit lautem Gepolter herunter. Der Schläfer fuhr mit aufgerissenen Augen hoch und schaute sich gehetzt um. Als er Jermyn sah, ließ er sich zurücksinken und grinste schwächlich.
»He, Kamerad, willste dich wegschleichen? Un was wird aus mir armen Schwein? Wie soll ich mich damit am Leben halten?«
Er hielt mitleidheischend seine verbundenen Hände hoch.
»Was geht mich das an?«, knurrte Jermyn böse, »ich kann nicht mehr für dich tun, mir geht's selbst dreckig.«
Der andere, ein kleiner Kerl mit schütterem Haar, ließ sich nicht so leicht entmutigen. Er wirkte verbraucht, mit grauen, eingefallenen Wangen, aber die Bartstoppeln, die Kinn und Wangen bedeckten, waren noch dunkel wie seine Haare. Wer in den dunklen Vierteln auf der Straße lebte, alterte schnell.
»Du kannst dir wenigstens was zu essen stehlen. Pass auf, wir machen's so: Ich stell mich unter deinen Schutz, du wirst mein Patron und ich schwör dir Gefolgschaft. Dafür musste mich versorgen, bis ich's selbst kann. Un wenn ich an der Wundfäule draufgehe, biste mich ja auch bald los«, endete er mit einem jämmerlichen Versuch zu scherzen. Jermyn starrte ihn ungläubig an.
»Bist du bescheuert? Ich will nicht dein Patron sein und ich denk nicht im Traum daran, dich zu versorgen. Ich hau jetzt ab.«
Er packte sein Bündel und wollte zur Tür hinaus, aber Wag jammerte hinter ihm her:
»Nee, Patron, du kanns mich doch hier nich so liegen lassn. Die ham mir alles abgenommen und der Bader schmeißt mich raus, wenn ich nich bezahl...«
Jermyn zog die beiden Börsen heraus, die er den Folterern abgenommen hatte. Die schwerere warf er Wag in den Schoß.
»Hier, damit kommst du 'ne Weile aus. Und die hier nehme ich als Lohn für meine Mühe. Leb wohl.«
Ohne auf die klagenden Rufe zu hören, schloss Jermyn die Tür und schlich die schmale Stiege hinunter. Auf dem Hof lief er dem Bader in die Arme, der ihn festhielt und Bezahlung forderte. Jermyn war immer noch mitgenommen. Außerdem machte man sich die Bader nicht zum Feind, nicht selten hing das Leben von ihnen ab, also bezahlte er den Mann aus der Börse des Folterknechts.
»Was is mit deinem Kumpan? Wer zahlt für den?«
Die feiste Hand des Baders ließ seinen Arm nicht los und Jermyn spürte die Wut in sich hochsteigen. Er beherrschte sich mühsam.
»Der hat selber Geld und er ist nicht mein Kumpan.«
Der Bader erwiderte gemächlich:
»Aber ob's reicht? Der wird noch 'ne Weile meine Hilfe brauchen. Und Kumpan oder nich, du hast ihn hergebracht und dich hab ich am Wickel!«
»Ich bring ihn um«,
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