AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
waren noch nicht entzündet.
Ava sprang die Treppe zur Küche hinunter. Hier unten war das Schloss schon lange wach. In dem gewaltigen Kamin brüllte das Feuer, die Backöfen glühten, an allen Tischen arbeiteten Köche und Mägde; es roch nach frisch gebackenem Brot, gebratenem Fleisch und warmem Wein.
Berits großer Stuhl in der Nische neben dem Kamin war leer. Viele Jahre hatte die alte Frau über die Schlossküche geherrscht. Eine Jüngere hatte ihre Stellung eingenommen, aber ohne Berits Zustimmung änderte sich nichts am althergebrachten Ablauf der täglichen Arbeit.
Ava war immer der Liebling der Wirtschafterin gewesen, schon als kleines Kind hatte sie, in dem großen Lehnstuhl zusammengerollt, dem Treiben in der Küche zugesehen. Nach ihrer Rückkehr hatte Berit sie begrüßt, als sei sie Tage, nicht Jahre fort gewesen.
An diesem Morgen dauerte es eine Weile, bis Ava ihre gebeugte Gestalt in dem morgendlichen Getriebe entdeckte. Sie stand bei einer jungen Magd, die mit bleichem Gesicht auf einem Stuhl hockte.
Ava ging hinüber. »Was hat sie, geht es ihr nicht gut?«
Die Magd sah erschrocken auf und versuchte aufzustehen, aber Berit ließ es nicht zu.
»Ja, es geht ihr nicht gut, aber das geschieht ihr ganz recht, nicht wahr, Imeke?«
Die junge Frau errötete und ließ den Kopf hängen. Trotz ihrer barschen Worte sorgte Berit dafür, dass eine andere Magd Imeke aus der Küche führte und humpelte zu ihrem Lehnstuhl. Ava folgte ihr. Die Leute hatten sie erkannt und durch die Küchendämpfe schallten Morgengrüße.
»Einen guten Morgen, Lady Ava.«
»Ihr seid früh auf, Fräulein, wollt Ihr nicht morgen Brot backen?«
»Jou, ich käm nich so früh aus den Federn, wenn ich nich müsst.«
Ava lachte, aber Berit schnaubte entrüstet:
»Macht eure Arbeit, ihr Flegel! Wie redet ihr denn mit der jungen Herrin?« Sie schob Ava Schüssel und Becher zu.
»Iss, mein Täubchen«, schmeichelte sie. »Brot und Grütze mit Honig und hier hast du Kräutertee, Wein magst du ja nicht, wie der Herr. Ach, mein Kreuz ...«
Schwerfällig ließ sie sich in ihrem Stuhl nieder. Ihr zuliebe senkte Ava den Löffel in den goldgelben Brei, aber sie aß nicht.
»Was ist mit Imeke? Warum hast du gesagt, es geschähe ihr recht?«
Berit legte den Kopf zur Seite.
»Sie ist guter Hoffnung, da geht es einem am Anfang nicht so gut, Übelkeit und Schwindel, zur Strafe für unsere Sünden.«
»Pah, was für Sünden? Kinder kriegen ist doch keine Sünde.«
»Wenn man keinen Vater zu dem Kind hat, schon! Wer wird denn für den Wurm sorgen? Sie hat sich mit einem fahrenden Gaukler vergnügt und er hat ihr ein nettes Andenken dagelassen. Nur gut, dass die Herrin so fürsorglich ist.«
Ava nickte. Ihre Mutter erfuhr von jedem Unglück, von jeder Sorge und kümmerte sich darum.
»Auch das gehört zu meinem Erbteil«, dachte sie bedrückt.
In den letzten Wochen hatte sie sich mit den Aufgaben vertraut gemacht, die sie erwarteten. Nicht, weil sie sich dafür interessierte, sondern weil es ihre Gedanken beschäftigte und sie vom Grübeln abhielt. Aber dabei war ihr klar geworden, wie zahlreich diese Aufgaben waren und wie hart ihre Eltern für das Wohl ihres Volkes arbeiteten. Diese Mühe erwartete auch sie und sie würde damit allein sein.
»Du hättest sehen sollen, wie sie mit ihm gelacht und geschäkert hat«, unterbrach Berits Stimme ihre trüben Gedanken. »Nichts war mehr mit ihr anzufangen, alles hat sie vergessen und ihre Arbeit nur husch, husch gemacht, damit sie schnell zu ihm konnte. Und hab ich sie nicht gewarnt? ,Ein Gaukler, Mädchen, was willst du mit dem?', hab ich gefragt, ,der zieht doch weiter.' Aber hat sie auf mich gehört? Nein – und jetzt sitzt sie in der Patsche.«
Ava antwortete nicht. Ein Gaukler war immer noch besser als ein Dieb – sie ertappte sich dabei, dass sie das Mädchen beneidete. Imeke war immerhin mit ihrem Liebsten zusammen gewesen.
»Hör auf«, schalt sie sich, »du hast keinen Liebsten und willst auch keinen.«
Sie erhob sich hastig. »Ade, Berit, ich danke dir für das Frühstück, morgen komme ich wieder.«
»Hast ja nichts gegessen, Kind«, rief die Alte vorwurfsvoll hinter ihr her, aber Ava winkte und verließ die Küche durch den Hofeingang.
Es war hell geworden und sie ging zum Stall. Die Knechte hatten sich daran gewöhnt, dass die junge Herrin mit den Hühnern aufstand und die weiße Stute Luna war aufgezäumt und gesattelt. Es hatte zu nieseln begonnen, deshalb nahm Ava die
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