Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
gebrochen, die schlaffe Gestalt glitt in weiten Kreisen langsam zu Boden, wo sie reglos, mit zerfetzten Kleidern, liegen blieb. Mit einem gellenden Schrei war Imeke bei ihrem unseligen Liebhaber und warf sich über ihn. Die Zuschauer duckten die Köpfe unter den tosenden Böen und Ava zügelte die Wut des Sturms.
    »Fort mit euch, kehrt zurück, kehrt zurück, hört die Mutter, gehorcht, kehrt zurück!«
    Die Winde bockten wie störrische Pferde, aber der Wille, der sie hielt, hatte sie hervorgebracht, sie tobten so vergeblich dagegen an wie gegen eine Wand aus gewachsenem Felsen. Endlich fügten sie sich, der peitschende Schlauch zog sich in die Wolken zurück, der Wirbel beruhigte sich und löste sich endlich auf.
    Als es still geworden war, drängten sich die Zuschauer um den am Boden liegenden Gaukler. Imeke kniete verzweifelt weinend neben ihm, streichelte sein Gesicht und küsste die Hand, die sie in der ihren hielt.
    »Er lebt doch, sagt mir, dass er lebt«, schluchzte sie. »Das Fräulein hat ihn gerettet, er muss doch leben, er muss doch ...«
    Berit wollte sie hochheben, aber sie riss sich los, »nein, nein, ich will bei ihm bleiben, lasst mich bei ihm ...«
    In der Menge öffnete sich eine Gasse, um die Heilerin durchzulassen. Sie kniete neben dem jungen Mann nieder und legte eine Hand auf sein Herz, die andere auf seine Stirn und lauschte mit geschlossenen Augen. Alle warteten atemlos, Imeke hatte die Augen geschlossen und presste die Hand ihres Geliebten an die Brust. Schließlich seufzte die Heilkundige und sagte: »Er lebt, aber«, sie hob die Stimme um den aufkommenden Jubel zu übertönen, »nur gerade eben. Wir müssen ihn sofort in die Krankenstube schaffen und sie gleich mit«, fügte sie mit einem Blick auf Imeke hinzu. Nachdem seine schlimmsten Befürchtungen gebannt waren, war das Mädchen lautlos in sich zusammengesunken.
    Zwei Bahren wurden gebracht und viele Hände fanden sich, die beiden fortzutragen, allen voran der große Knut, der mit beschämtem Gesicht vom Wehrgang geklettert war.
    Die Zurückgebliebenen betrachteten Ava mit scheuen Blicken. Ein wenig unheimlich war ihnen, was sie eben gesehen hatten. Im ganzen Schloss war bekannt, dass die junge Herrin seltsame Kräfte hatte, aber nie war es ihnen so deutlich vor Augen geführt worden. Tagelang summte das Schloss von aufgeregten Berichten über die Rettung des Gauklers und noch viele Generationen später wurde in Tillholde davon erzählt.
    Ava dagegen war wie betäubt, nachdem sie die Winde freigelassen hatte. Sie fühlte sich leer und ausgelaugt, Furcht und Neugier der Hofleute drangen auf sie ein, sie hörte das aufgeregte Tuscheln und plötzlich konnte sie die starrenden Gesichter nicht mehr ertragen. Bleierne Müdigkeit packte sie und ohne ein Wort bahnte sie sich einen Weg durch die Menge. Wie im Traum stolperte sie in ihr Gemach, warf sich auf ihr Bett und versank in unruhigen Schlaf.
    Sie erwachte mitten in der Nacht mit rasendem Herzen. Das Hemd klebte ihr am Leib und ihre Kehle schmerzte von den vergeblichen Versuchen zu schreien. Nur langsam verhallte der Alptraum und ihre verkrampften Glieder entspannten sich.
    Jemand hatte sie entkleidet und zugedeckt und einen Augenblick lag sie mit leerem Kopf da, froh, dem Nachtmahr entronnen zu sein. Plötzlich stand die Rettung des Gauklers vor ihrem inneren Auge und mit der Erinnerung kehrten die Traumbilder zurück. Zitternd setzte sie sich auf.
    Der Gaukler stand auf den Zinnen. Gewandt turnte er von einer zur anderen, als schrecke ihn die Tiefe nicht. Sie blickte zu ihm hoch, beglückt über seine Geschicklichkeit. Voll Freude sah sie ihm zu, es juckte sie in allen Gliedern, zu ihm hinaufzuklettern und es ihm gleich zu tun. Imeke war nirgends zu sehen und die Traumava war froh darüber.
    Plötzlich strauchelte der Mann, er fiel auf die Knie, schwankte und rutschte von der Zinne. Sie spürte seinen Fall als stürze sie selbst und wie gelähmt beobachtete sie seine vergeblichen Anstrengungen sich hochzuziehen ... Hilflos hing er an der Kante und jetzt sah sie, dass er kein buntes Narrenkostüm trug, nur schlichtes, graues Zeug, das ihr seltsam vertraut war. Jetzt rutschte die eine Hand ab, er geriet in immer größere Not und sie vergaß seine Kleidung. Sie musste ihn retten, ein Wirbelwind ... aber die Zunge gehorchte ihr nicht, ihre Gedanken versagten den Dienst. Angst, lähmende Angst erfüllte ihr ganzes Wesen, ihre Blicke klebten an dem Unglücklichen und das Schreckliche

Weitere Kostenlose Bücher