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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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geschah: Die andere Hand löste sich, er stürzte in die Tiefe, langsam, als schwebe er unter Wasser. Er überschlug sich und plötzlich leuchtete sein Haar wie eine Fackel auf. Sie erschrak und verdoppelte ihre Anstrengungen, die Winde herbeizurufen, aber die Lähmung hielt sie mit eisernem Griff umklammert. Im Fallen drehte sich der Mann und sie sah sein Gesicht.
    Jermyn ...
    Sie schrie und schrie, aber es kam kein Laut aus ihrer Kehle, dann stürzte sie selbst und erwachte. Ohne einen Augenblick zu zögern, schleuderte sie die Decke weg und sprang auf. Vollkommene Dunkelheit umgab sie, aber in ihr herrschte große Klarheit. »Was mache ich noch hier?«, dachte sie verwundert. »Ich gehöre nicht mehr hierher. Ich muss sofort aufbrechen.«
    Sie tastete nach der Lampe und entzündete sie. Hastig fuhr sie in ihre Reitkleider, nie waren die Haken und Ösen so widerspenstig gewesen. Ihre Finger zitterten, dreimal musste sie ansetzen, bevor das Unterkleid richtig zugehakt war. Als sie merkte, dass sie die Flüche murmelte, die sie von Jermyn gehört hatte, errötete sie und zwang sich zur Ruhe.
    Sie öffnete die Truhe und überlegte. Viel Gepäck durfte sie nicht mitnehmen, sie musste schnell und beweglich sein. Leibwäsche, zwei Kittel, eine Decke und das graue Gewand aus dem Haus der Weisen flogen auf das Bett. Ava rollte sie zu einem Bündel zusammen, aber als sie es zuschnüren wollte, hielt sie einen Moment inne. Dann riss sie ungeduldig Laluns Geschenk aus der Truhe. Aus einem Kasten nahm sie drei Lederbeutel und verstaute sie in ihrer Gürteltasche.
    Ein langgezogener, dumpfer Hornruf durchbrach die Stille und Ava zuckte zusammen, gleich darauf ertönte die Stimme der Nachtwache.
    »Schlaft beruhigt, es schlägt die zweite Stunde, der Himmel ist klar, die Erde friedvoll, schlaft beruhigt!«
    Bei Sonnenaufgang, zur fünften Stunde, brach der Wagenzug der Händler nach Dea auf. Sie kamen nur langsam voran und es schien Ava nicht ratsam, ihnen allzu bald über den Weg zu laufen. Sie hatte also Zeit. Denn wenn sie auch allen hier, selbst den Eltern, ohne Abschied den Rücken kehrte, so gab es doch einen Abschied, dem sie nicht ausweichen wollte.
    Sie nahm den Wappenring ab, den sie an einer Seidenschnur um den Hals trug, küsste ihn hastig und legte ihn behutsam auf ihr Kopfkissen. Dann griff sie nach dem Bündel und ging, ohne sich umzusehen.
    Lautlos schlich sie durch die stillen Gänge zur Küche und spähte vorsichtig hinein. Die großen Feuer waren heruntergebrannt, der Junge, der sie bewachen sollte, saß mit nickendem Kopf davor. Es war so früh, dass sie noch nicht mit dem Teig begonnen hatten und Ava konnte sich ohne Schwierigkeiten einen kleinen Mundvorrat zusammensuchen. Brot vom Vortag, ein Stück geräucherten, in Wachstuch gewickelten Käse, getrocknete Früchte und Nüsse. Eine Wasserflasche besaß sie selbst. Sie würde sie am Hofbrunnen füllen, das Plätschern weckte am Ende den Jungen.
    Im Stall brannte nur eine kleine Sturmlaterne, aber ihr Licht reichte, um die weiße Stute fertigzumachen. Ein anderes Pferd wäre vielleicht besser, da ihr Verschwinden nicht so schnell bemerkt würde, aber Ava traute sich nicht zu, mit einem unbekannten Tier zurechtzukommen. Sie hatte keine leichte Hand mit Pferden.
    Luna war an sie gewöhnt und hielt geduldig still, während Ava sie mit etwas Mühe sattelte. Nachdem sie ihr Bündel und den Beutel mit dem Proviant in den Satteltaschen verstaut hatte, führte sie die Stute aus dem Stall über den Hof. Das große Tor war geschlossen, aber es gab eine kleine Seitentür, die man auch nachts öffnen konnte, wenn man wusste, wo der Schlüssel hing.
    Ava band die Stute dort fest und lief zurück in den großen Saal. Außer den glimmenden Resten des Feuers in den beiden großen Kaminen gab es kein Licht in der Halle, aber sie hätte auch im Stockfinstern ihren Weg zu der kleinen Tür hinter den Wandbehängen gefunden.
    Sie lief die Treppe hinab, vorbei an den pochenden Adern und den feurigen Schatten der Erdgeister. Sie waren ruhig; seit Ava aus dem Haus der Weisen zurückgekehrt war, hatte die Erde sich nicht geregt, die Geister spürten ihre Anwesenheit in der aufflammenden Liebe der Erdenmutter und rührten sich nicht, um der menschlichen Schwester willen.
    Bei ihrem Anblick aber spürte Ava die tödliche Angst, die sie empfunden hatte, als die Erdwelle Jermyn zu verschlingen drohte. Nicht anders war es gerade im Traum gewesen.
    »Aber damals habe ich nicht versagt«,

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