AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)
die geraden, schwarzen Brauen waren grimmig zusammengezogen und während er ungeduldig darauf wartete, dass Jermyn und Wag die Treppe freigaben, maß er sie herablassend.
Wag schnaufte erschrocken, aber Jermyn hatte es plötzlich nicht mehr eilig.
Mit Zinsen gab er den abschätzenden Blick zurück und Zorn färbte das Gesicht des Mannes noch dunkler. Seine Hand fuhr an den Schwertgriff, dann besann er sich, seine Miene verschloss sich zu einer hochmütigen Maske und ohne Jermyn oder Wag weiter zu beachten, trat er beiseite und wartete.
Entsetzt sah Wag, dass Jermyn zögerte. Es gab kaum einen gefährlicheren Mann in Dea, selbst Patrone wie Fortunagra mussten ihn fürchten. Es war nicht auszudenken was geschähe, wenn der verrückte Junge sich ausgerechnet mit dem anlegte.
Doch Jermyn schien sein Anliegen bei Vitalonga wichtiger zu sein als das Spiel mit dem Feuer, er begnügte sich damit, aufreizend langsam die restlichen Stufen hinab zu schlendern. Als die beiden Männer die steile Treppe hinaufeilten, sah er ihnen verächtlich nach.
»Was war denn das für einer?«
»Ein Bastard ...«, begann Wag.
»Ich seh selbst, dass er ein Bastard ist, du Esel«, fiel Jermyn ihm höhnisch ins Wort, aber auch Wags Geduld war nicht unerschöpflich.
»Selber Esel!«, fuhr er auf. »Jetzt reicht's mir, immer weißte alles besser! Lass mich doch einmal ausreden, du ... du Grünschnabel.«
Es war, als würde sich eine Maus gegen die Katze wenden. Jermyn starrte den kleinen Mann an, aber in seinem Ärger wich Wag dem Blick nicht aus, wie er es sonst tat, sondern hielt ihm trotzig stand.
Die schwarzen Augen wurden hart wie Glas. Ihr Blick bohrte sich in Wags Schädel, ein unheimlicher Druck presste seine Schläfen zusammen wie eine Schraubzwinge. Ihm wurde angst und bange, aber um des Funkens Ehre in seinem Leib willen wollte er nicht aufgeben.
Jermyn rührte sich nicht. Er sagte kein Wort, aber der Druck wuchs und tief in den schwarzen Augen glomm ein roter Funke auf, der Wag mehr ängstigte als eine zum Schlag erhobene Faust. Seine Knie zitterten und nun hätte er gerne weggesehen, aber er konnte sich weder abwenden noch die Lider senken. Gnadenlos wurde er in den feurigen Abgrund gesogen. Er wollte die Hände vors Gesicht schlagen, aber er war gelähmt. Seine Fingerspitzen prickelten, er spürte Zangen an den Nägeln und die Qualen, die er in Fortunagras Keller erlitten hatte, kehrten zurück, um nicht mehr zu enden, nie mehr ...
Er wimmerte angstvoll.
Der Alptraum endete so plötzlich wie er begonnen hatte. Der Druck ließ nach, die höllischen Augen verschwanden, Jermyn hatte sich abgewandt. Wag sackte in sich zusammen. Er stolperte und wäre gefallen, hätte eine Hand ihn nicht grob festgehalten. Wag bebte am ganzen Leibe, als ihm klar wurde, auf wen er sich eingelassen hatte. Ein Gedankenlenker, schlimmer als ein Dutzend von Fortunagras Schlägern!
Er konnte sich kaum auf den Beinen halten, doch Jermyn hielt weiter seinen Ellenbogen umfasst. Ein ungewohnter Ausdruck lag in dem harten Gesicht. »Tut mir leid, red weiter, ich werde dich nicht unterbrechen.«
Er ließ es zu, dass Wag sich auf ihn stützte, aber es dauerte eine Weile bevor sich dessen Herzschlag beruhigt hatte. Verstohlen schielte er auf seine Fingerspitzen, halb erwartete er, blutüberströmte Wunden zu sehen, aber sie waren unversehrt, mit kurzen, nicht ganz sauberen Nägeln.
»Also, was ist das für ein Kerl?«
Wenn Jermyn tatsächlich Reue empfunden hatte, so hatte sie nicht lange angehalten, seine Stimme verriet wieder Ungeduld. Wag beeilte sich zu antworten. »Er is ein Bastard des Patriarchen, der einzige, den der Alte am Hof duldet. Er is Hauptmann der Stadtwache un es heißt«, verschwörerisch senkte er die Stimme, »er versucht den Herrn Donovan bei dem Alten auszustechen. Dem gehste besser aus'm Weg, hast ja gesehn, wie er sich aufmandelt.«
Die Nachrichten schienen Jermyn nicht zu gefallen. Seine Miene verfinsterte sich und als sie in den Schatten der Brücke traten, hörte Wag ihn murmeln:
»Und was macht der edle Herr Bastard bei dem Händler Vitalonga?«
Im Laden brannte keine Lampe, als Jermyn den fadenscheinigen Vorhang beiseiteschob und eintrat. Nur wenig Tageslicht fiel durch die Türöffnung und erst als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, erkannte er, dass der Lumpenhaufen auf dem Diwan ein Mensch war.
Die Kapuze tief in die Stirn gezogen, wiegte sich der Kunsthändler stöhnend hin- und her. Jermyn
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