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AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

AvaNinian – Erstes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian – Erstes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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stocksteif mit fest zugekniffenen Augen da. Jermyn nahm ihm die Kerze ab und packte ihn unsanft am Handgelenk.
    »Los, komm vorsichtig hinter mir her. Stell dich nicht so an, wir sind schon an der Kante vorbei. Hier kann nichts mehr passieren.«
    »Das sagst du so, P... Patron.«
    Wag klammerte sich an die Hand, dass es schmerzte. Jermyn zog ihn hinter sich her durch die Trümmer der zerstörten Zimmerflucht und schubste ihn durch das Mauerloch in das Schlafgemach. Als er Wände um sich spürte, stieß Wag einen solchen Seufzer der Erleichterung aus, dass die Kerzenflamme wild flackerte.
    »Also, warum warst du hier oben, mein wackerer Gefolgsmann?«, fragte Jermyn drohend.
    Immer noch zitternd, stammelte Wag:
    »Wei ... weil ein Bote von LaPrixa da is, mit Verlaub. Er hat mir geholfen, die Leiter anzustellen, aber als ich dich hier drin nirgends gefunden hab, bin ich da raus«, er schüttelte sich, »aber noch mal mach ich das nich, da drauf kannste einen lassen!«
    Er klapperte mit den Zähnen und Jermyn starrte ihn an.
    »Du hast doch Angst vor Höhen.«
    »Oh jaa«, Wag rollte vielsagend die Augen, »aber ich hab mir doch Sorgen gemacht.«
    Jermyn stieg das Blut in die Wangen, die schlichte Antwort beschämte ihn. Er dachte an die feige Schwäche, die ihn gerade überfallen hatte und wandte sich hastig ab.
    »Ich will mit dem Mann von LaPrixa sprechen«, murmelte er und kletterte die Leiter hinunter.
    Beim Anblick des hünenhaften Türstehers vergaß er seine Verlegenheit.
    Der Mann musterte ihn neugierig, dann zwinkerte er anzüglich.
    »Ist lange her, seit letzte Besuch, Rotschopf.«
    »Quatsch nicht«, erwiderte Jermyn barsch. »Komm zur Sache!«
    Das Lachen grollte tief im Brustkasten des Hünen.
    »Schönen Gruß von LaPrixa, sie sagt, Saukerl mit Goldnagel is da und ...«
    »Ja!«
    Triumphierend stieß Jermyn die Faust in die Luft und schlug Wag so heftig auf die Schulter, dass der kleine Mann in die Knie ging.
    »... macht schnell, sagt LaPrixa.«
    »Los Wag, es geht los. Jetzt kannst du es dem Wichser bald heimzahlen!«
    Jermyn rannte und Wag folgte ihm seufzend, froh darüber, dass die Jagd wenigstens auf ebener Erde stattfand. Der Türsteher setzte sich in eindrucksvollen, wiegenden Trab und alle drei verschwanden in der Dunkelheit.
     
    Vor den Stufen des Badehauses stieß Jermyn beinahe mit LaPrixa zusammen, die herausstürzte – wie eine etwas ramponierte Rachegöttin anzusehen. Zwei lange Kratzer zogen sich über ihre linke Wange, ihre Unterlippe war aufgeplatzt und wo der silberne Ring ihren Nasenflügel geziert hatte, klaffte ein blutiger Riss. Ihre Augen sprühten Funken und Jermyn wich unwillkürlich vor ihrer hässlichen, zornigen Fratze zurück.
    »Dieses miese Stück Dreck«, keuchte sie, »renn, Jüngelchen, wenn du ihn noch erwischen willst. Er hat Lunte gerochen. Als ich versuchte ihn festzuhalten, hat er wie ein Rasender um sich geschlagen. Zum Wilden Viertel ist er gelaufen, da gibt's viele Schlupfwinkel. Los, beeil dich und wenn du ihn erwischst, bring ihn her, ich reiß ihm die Eier ab, diesem ...«
    Jermyn hörte nicht mehr. Er rannte an der Westseite des Badehauses entlang, durch die engen Gassen des angrenzenden Viertels, bis er in eine Gegend verfallener Gebäude mit rußgeschwärzten Mauern kam. Mit wachsender Verzweiflung lief er über das unebene Pflaster. Wenn der Mann einmal im Gewirr des Wilden Viertels verschwunden war, konnte er lange suchen.
    Die Gasse mündete in einen weiten Platz, auf dem mehrere Feuer brannten. Armseliges Volk kauerte um die Feuerstellen, aber vor dem roten Schein hob sich schwarz die Gestalt eines Mannes ab. Vorgebeugt stand er da, die Hände in die Seiten gepresst.
    Als Jermyn näher kam, hörte er laute, keuchende Atemzüge, dann hob der Mann den Kopf und sah seinen Verfolger. Noch immer gebückt stolperte er weiter, über die Schlafenden und Bettler hinweg, die ihre tägliche Beute zählten. Jermyn folgte ihm, aber der Fliehende hatte die Leute aufgeschreckt. Scheltend erhoben sie sich, schmutzige Klauen krallten sich in Jermyns Kleider und versuchten, ihn nieder zu zerren. Er riss sich los, rücksichtslos nach allen Seiten tretend, aber der Vorsprung seines Opfers vergrößerte sich stetig. Bald hatte der Mann die ersten Hütten erreicht, die an den Platz der Bettler angrenzten.
    Vor Jahren hatte hier ein verheerender Brand gewütet, viele Häuser waren bis auf die Grundmauern abgebrannt. Niemand hatte sich um das Trümmerfeld gekümmert und wie

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