AvaNinian – Zweites Buch
schüchtern. Jermyn erwiderte das Lächeln nicht.
»Du hast uns ein ganz schönes Tänzchen aufgeführt! So hatten wir uns die Nacht heute nicht vorgestellt!«, knurrte er und Kamante ließ den Kopf hängen. Ninian legte ihr den Arm um die Schulter.
»Lass sie in Ruhe, für sie war es kein Tänzchen, nicht wahr?«
Jermyns Miene wurde nicht freundlicher, aber er stand auf und sagte nichts mehr. Unterdessen schoben einige Männer einen Karren mit einer Leinwandplane heran und halfen Kamante hineinzuheben. Ninian trat zu Jermyn.
»Die Masken haben sie als Lockvogel benutzt«, sagte sie leise, »im Grunde hatten sie es auf dich oder uns beide abgesehen. Kurz bevor sie Kamante hinuntergestoßen haben, tauchte ein dunkelhäutiger Mann bei ihnen auf. Er hat mit ihnen gerungen und einen in die Tiefe gestürzt. Die anderen nannten ihn Verräter, ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.«
Jermyn zuckte die Schultern.
»Deshalb haben sie sich alle auf mich gestürzt. Ist ihnen schlecht bekommen! Was den schwarzen Mann angeht - ich hatte auch einmal den Eindruck, als ob jemand auf der andern Seite über’s Dach läuft, aber ich habe jetzt keine Lust mehr, noch mal da hochzugehen.«
Sein Blick fiel auf Dubaqi, der unentschlossen an der Hauswand stand und er schlenderte zu dem Seemann hinüber.
»Sag mal, hat unser geschätzter Duquesne die Masken auf mich angesetzt?«
»Duquesne hasst die Masken«, fuhr Dubaqi auf, »genau wie ich, er würde nie gemeinsame Sache mit ihnen machen. Außerdem braucht er sie nicht, er wird auch allein mit dir fertig, Gedankenschnüffler!«
»Oh, ich zittre«, in gespieltem Schrecken hob Jermyn die Hände. »Klar, wird er mit mir fertig, wenn er solche Helden wie dich bei sich hat«, übergangslos wurde er ernst. »Du warst doch auf dem Dach - hast du noch jemanden gesehen, nachdem Ninian gesprungen ist?«
In Dubaqis Wange zuckte ein Muskel.
»Es tut mir wahrhaftig leid, dass ich ausgerechnet dir helfen musste«, knirschte er. »Das Dach war leer, es war niemand mehr oben, Klugscheißer!«
Er verschwand in der Menge, ohne Jermyn eines weiteren Blickes zu würdigen.
Wenig später rumpelte der Karren von zwei Männern gezogen über die Holzbrücke. Kamante lag unter der Plane und Wag saß neben ihr. Er hielt ihre Hand fest in der seinen, aber sein Kopf war auf die Brust gesunken. Aufregung, Angst und die Verfolgung der Entführer hatten ihn so erschöpft, dass er die Augen nicht offen halten konnte.
Kamante jedoch war hellwach und schaute betrübt auf die beiden, die hinter dem Karren hertrotteten. Jermyn hatte zwei Säcke aufgetrieben, die sie sich über die Schultern gehängt hatten. Wenigstens hatte Wag ihre Stiefel nicht verloren - den langen Weg zum Ruinenfeld barfuß zurückzulegen, wäre eine Tortur geworden.
Sie schwiegen, erschöpft von der Jagd, aber nicht weniger vom Tanz der Trommeln. Nach dem erhebenden Gefühl, den gefürchteten Masken ihre Beute abgejagt zu haben, und der Erleichterung darüber, dass sie alle unversehrt waren, hatte sie die Ernüchterung überfallen.
Ninian dachte an den Maskenmann, den sie getötet hatte, kaltblütig und mit Absicht. Der Blitzstrahl hatte ein Loch in seine Brust gebrannt, der Sturz in die Gasse seine Glieder zerschmettert und vielleicht andere verletzt. Sie schauderte: Das war die dunkle Seite ihres Lebens mit Jermyn.
Sie stolperte und er packte hart ihren Arm. Sein Griff schmerzte und die zärtlichen, aufwühlenden Berührungen während des Tanzes fielen ihr ein. Plötzlich schämte sie sich des Rausches, in dem sie sich beinahe verloren hatte.
»Es wäre dir schlecht bekommen«, sagte sie mürrisch.
»Was?«, schnappte er.
»Das, was du vorhattest, eben beim Tanz der Trommeln. Ich war aufgeladen, bis unter die Brauen, wie du es nennst. Du hättest dir - nicht nur die Finger verbrannt.«
Er antwortete nicht, aber er trat grob gegen einen Betrunkenen, der besinnungslos in der Gosse lag, und sie war froh, dass sie sein Gesicht unter dem Sack nicht sehen konnte.
Auch diese Nacht war nicht so verlaufen, wie sie gehofft hatten.
Bekümmert sah Kamante zu ihnen hinüber, sie war voller Reue. Nicht, weil sie Wags Verbot übertreten hatte, sondern weil sie den dreien, die zu ihrer Familie geworden waren, die Nacht verdorben hatte. Sie hatten sich für sie in Gefahr begeben und nun sahen sie so zornig und finster aus.
Nie war sie glücklicher gewesen als heute mit Kwaheri. Sie würde nicht anders handeln, selbst wenn sie noch
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