Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
Vom Netzwerk:
einmal die schreckliche Jagd über die Dächer mitmachen müsste. Auch Kwaheri hatte sein Leben für sie gewagt - die Freude und Angst bei seinem Anblick steckten ihr noch jetzt in den Gliedern. Aber sie sollten doch teilhaben an ihrem Glück, die beiden da draußen. Plötzlich strahlte ihr Gesicht, sie richtete sich auf.
    »Oi, oi, Patron, Patrona, guck, was ich hab!«
    Aufgeregt streckte sie ihre Hand aus. Sie kamen missmutig näher.
    Auf der dunkelrosigen Handfläche lag ein Anhänger aus schwerem Silber, geschmiedet in der Form eines Tempelchens, die abgerissene Schnur hing noch in der Öse. Verblüfft sah Jermyn Kamante an, ihre Zähne blitzten in einem breiten Grinsen.
    »Hab ich Geistermann geklaut, Patron«, erklärte sie stolz, »für euch.«
    Sie hielt ihnen den Anhänger hin. Jermyn nahm ihn mit ungläubigem Lachen und drehte ihn im Schein der schwankenden Laterne am Wagenkasten. Plötzlich pfiff er durch die Zähne.
    »Schau dir das an.«
    Der flackernde Schein huschte über das schwärzliche Silber des Bodens. In erhabenen Linien trat das winzige, aber deutliche Bild einer Fackel hervor, einer Fackel mit drei Flammen über einem halbmondförmigen Nachen, umgeben von schaumgekrönten Wellen.
    »Ciske«, flüsterte Ninian. Ihre Blicke trafen sich über dem Anhänger, während Kamante verständnislos von einem zum anderen sah.
     
    10. Tag des Saatmondes 1465 p.DC
Vormittag
    Träge sickerte der graue Tag in das herrschaftliche Zimmer, durch die schweren, rosenfarbenen Damastvorhänge zu warmem, rötlichem Schimmer gedämpft.
    Der Mann in dem großen Prunkbett wusste das zu schätzen. Nicht immer erwachte er allein, dann war es gut, wenn sanftes Licht die Spuren der Ausschweifungen in seinem Gesicht milderte. Auch die kostbaren Spitzen am Hals und den Handgelenken dienten dazu, die Jugend neben ihm nicht durch Anzeichen des Alters abzuschrecken. Und nicht zuletzt war er ein Sklave seiner Eitelkeit. Der Kammerherr hatte Kerzen entzündet, deren Schein ihm schmeichelte.
    Durch Polster gestützt, saß der Ehrenwerte Fortunagra in dem breiten Bett. Den edlen, weißhaarigen Kopf in die üppigen Kissen gelehnt hing er seinen Gedanken nach. Schmale, blaugeäderte Hände, mit schweren Ringen geschmückt, drehten abwesend einen silbergefassten Becher. Hin und wieder nippte er an dem schaumigen Getränk. Sein Koch bereitete es aus Eiern, warmem Wein, Honig von den Bienenstöcken seines Gutes in den Falarner Bergen und seltenen Spezereien. Sie kamen aus dem geheimnisvollen Osten und wurden mit Gold aufgewogen.
    Die Mischung stärkte ihn für die kommenden Anstrengungen. In der letzten und finstersten der Wilden Nächte musste er den Dunklen Mächten opfern, denen er sein Leben lang gedient hatte. Seit Beginn der Feiern hatte er Enthaltsamkeit geübt, auf dass Verdienst und Genuss heute umso größer wären.
    Mit bebenden Nüstern sog er den Duft der fremdartigen Gewürze ein. Sie erhitzten ihn, regten sein Verlangen an, gierig dachte er an die reiche Beute der Masken. Zwar - er runzelte die Stirn - die eine Jagd, mit der sich sein neuester Günstling auszeichnen sollte, war fehlgeschlagen. Nicht einmal den Lockvogel hatten sie als Spielzeug mitgebracht.
    Fortunagra langte nach dem Teller neben seinem Bett, wählte mit spitzen Fingern einen knusprigen Kuchen und verzehrte ihn elegant. Das Gebäck wurde täglich für ihn bereitgehalten und entzückt spürte er der Wonne nach, mit der die zarte Kruste auf seiner Zunge schmolz, der aromatischen Süße der Mandelpaste, die seinem Gaumen schmeichelte.
    Wie klug von ihm, Gantagruel den Feinschmecker zu zwingen, ihm dieses Juwel von einem Koch abzutreten! Wenn der alte Fresser gewusst hätte, dass es den beschämenden Bericht über seine weniger appetitlichen Gelüste längst nicht mehr gab ...
    Ein Schatten glitt über die vornehmen Züge des Edelmannes, als ihm der Verlust seiner sorgfältig gesammelten Dokumente von Schuld und Lasterhaftigkeit seiner Mitmenschen einfiel. Die Finger auf der seidenen Decke krümmten sich, als wollten sie jemandem an die Gurgel. Noch wirkte das besänftigende Kraut aus dem Döschen unter dem Kopfpolster, sonst hätte er wohl den Becher durch das Gemach geschleudert.
    Dieser verdammte, kleine Hurensohn ...
    Ruhig, ruhig - die Hand entspannte sich, es würde sich alles richten. War nicht Geduld immer seine Stärke gewesen? Er betupfte die Lippen mit dem schneeweißen Leinentüchlein, das auf dem Tisch bereit lag. Der feurige Nachgeschmack des

Weitere Kostenlose Bücher