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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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finden sie uns nicht mehr.«
    Mit neuer Hoffnung schwangen sie sich auf den Zaun. Der Wind trieb die Wolken über den Nachthimmel und im Mondlicht lag der letzte Hof vor ihnen, umgeben von den niedrigen Schuppen eines Holzhändlers. Auf der gegenüberliegenden Seite ragten die Gerberhallen auf und die Aussicht, bald in Sicherheit zu sein, spornte sie an. Sie sprangen herunter und rannten über den weichen Teppich aus Sägespänen.
    Sie blickten nicht zurück auf die Scharen von Wächtern, die über den Zaun und aus den Schuppen quollen, allen voran Duquesne, dicht gefolgt von Battiste.
    Battiste fluchte laut, als die Flüchtlinge zwischen den Holzstapeln verschwanden. Seine Wunden schmerzten, nur mit Anstrengung hielt er sich aufrecht, aber er wollte dabei sein, wenn sie die beiden Galgenvögel erwischten. Er hatte von den Schlupfwinkeln unter den Lagerhallen gehört. Von dort kam man in die unzugänglichen und gefährlichen Höfe der Gerbereien, deren verwinkelte Gänge und Stege nur die Gerber kannten, empfindliche Leute, die Einmischungen in ihre Angelegenheiten übelnahmen. War jemand in diesem Labyrinth verschwunden, fand man ihn so leicht nicht wieder.
    »Lauft, ihr Memmen«, schnauzte er, »vergesst nicht, sie haben euch zum Narren gehalten.«
    »Spart Euren Atem, Battiste«, unterbrach ihn Duquesne verächtlich, »sie werden uns nicht entkommen!«
    Battiste runzelte die Stirn, doch der fanatische Glanz in den eisblauen Augen verfehlten seine Wirkung nicht. Duquesne rannte nicht, mit gezogener Waffe in der Hand ging er beinahe gemächlich auf die Lagerhallen zu und einer nach dem anderen folgten die Männer, Stadtwächter und Palastgardisten, Schulter an Schulter.
     
    Die Lagerhalle war fensterlos bis auf schmale Lüftungsschlitze unter dem Dach. Sie ruhte auf starken Pfählen, zum Schutz gegen die Ratten, die das Gerberviertel in gewaltiger Zahl bevölkerten und die gelagerten Häute bedrohten. Eine steile Stiege führte zu einer kleinen Tür an der Stirnseite.
    Wie Tiere auf den rettenden Bau stürzten die Gejagten auf die Halle zu und Jermyn warf sich vor den mit Stacheldraht umwickelten Pfählen auf die Knie.
    »Halt dich von dem Draht fern, manchmal ist er mit Gift bestrichen. Los, komm schon«, schrie er ungeduldig, als Ninian zögerte.
    »Aber da sind Ratten ...«
    »Die tun uns nix ... aah ...«, hustend fuhr er zurück. Ein Windstoß wirbelte ihnen dichten Rauch entgegen, der ätzende Qualm trieb Ninian Tränen in die Augen, jeder Atemzug stach wie tausend Nadeln in ihrer Brust. Blindlings stolperten sie aus dem Bereich des Gestanks.
    »So eine verfluchte Scheiße, sie räuchern die Ratten aus, ausgerechnet heute!«
    Gehetzt sahen sie sich nach allen Seiten um, aber es gab keinen zweiten Zugang, keinen anderen Unterschlupf. Hinter ihnen näherte sich die langgezogene Kette der Bewaffneten mit Duquesne an der Spitze. Sie hörten das Klirren der Schwerter, das Summen der Bogensehnen.
    Vor ihnen ragten die glatten, fugenlosen Wände der Lagerhallen auf, unbezwingbar für ihre schmerzenden Glieder, die Fenster viel zu hoch für einen Wurf mit dem Seil - sie hatten keine andere Wahl.
    »Die Treppe«, flüsterte Jermyn tonlos.
    Duquesne sah zu, wie sie, mehrere Stufen auf einmal nehmend, hinaufhetzten. Ohne die Augen von ihnen zu nehmen, sagte er über die Schulter:
    »Wir trennen uns, Battiste, Ihr folgt ihnen mit euren Leuten die Treppe hinauf, Thybalt und ich gehen durch die Holzschuppen und schneiden ihnen den Weg ab. Es gibt nur zwei ebenerdige Eingänge zu den Lagerhallen der Gerber und die werden wir besetzen. Jetzt haben wir sie!«
    Er lächelte und Thybalt lief es kalt den Rücken hinunter.
     
    Meister Crespin nahm die blauen Augengläser ab und rieb die entzündeten Lider. Lange schon musste er nicht mehr Stunden um Stunden über die stinkende Lohbrühe gebeugt stehen, er konnte sich die kostbaren Linsen leisten, die seine Augen schützten, und trotzdem brannten sie nach einem langen Arbeitstag ganz unerträglich. Der Altgeselle hatte ihn paar Mal gemahnt, nach Hause zu gehen, bis der Meister ihn wütend zum Teufel gejagt hatte.
    Gerade heute wollte er bleiben - es war stets eine heikle Sache, dies Ausräuchern. Wenn man nicht aufpasste, wurde die Glut zu heiß, die Holzbohlen der Schuppen fingen an zu schwelen und eh man sich’s versah, ging die Arbeit von Monaten in Rauch auf. Er hatte das alles schon erlebt und heute hatte sich auch noch dieser vermaledeite Wind erhoben, so dass er drauf und

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