AvaNinian – Zweites Buch
sich ab und Tartuffe folgte ihm ins Zimmer.
»Ist das der Kasten?«
Babitt trat neben seine Beute und legte schwer den Arm auf den gewölbten Deckel.
»Ja, aber erst will ich mein Mädchen wiederhaben, sonst könnt ihr den Fluss nach dem Ding abfischen!«
Er reckte angriffslustig das Kinn, aber Tartuffe zuckte nur mit den Schultern.
»Ich will es meinem Herrn ausrichten, er wird sicher sein Bestes tun, sein Einfluss reicht weit.«
Dann sah er sich in dem vertrauten Gemach um und fragte lauernd:
»Wo sind die anderen beiden, Knots und Mule und, wie hieß er noch gleich ... Jermyn und seine Kleine?«
Wieder spürte Babitt einen merkwürdigen Sog, der ihn zwang, in die seltsamen, farblosen Augen zu sehen. Mit einer Anstrengung drehte er den Kopf weg, ging zur Tür und öffnete sie brüsk.
»Das geht dich nichts an, Tartuffe, verschwinde jetzt und sorg dafür, dass das Mädchen bald hier ist.«
» Sieh mich an! Schau in meine Augen!«
Der Sog wurde stärker und Babitt spürte die Anstrengung im Nacken, als er sich ihm widersetzte. Aber er hatte von Jermyn ein paar Tricks gelernt, um sich zu verschließen, und so zwang er sich, an das letzte Turnier zu denken, bei dem ihre Vögel gekämpft hatten.
»Der Graf gegen den Roten Zwerg, Sieger: der Rote Zwerg; das Aas gegen den Arraktrinker; Sieger: der Arraktrinker; der Schlächter gegen das Goldstück, Sieger: das Goldstück, mein Schätzchen ...«
Unwillkürlich grinste Babitt bei der Erinnerung an diesen Kampf, dann merkte er, dass der Sog verschwunden war. Tartuffes Lider flatterten, aber er strich über seinen ehrbaren, schwarzen Rock und schritt gemessen zur Tür.
»Ich werde sehen, was ich für dich tun kann, mein Freund«, säuselte er und Babitts gutmütiges Gesicht lief rot an.
»Nenn mich nicht so,« knurrte er, »du bist zu meinen Feinden übergelaufen.«
Tartuffe blieb stehen, ein boshafter, verschlagener Ausdruck glitt über das milde Gesicht.
»Ich muss schließlich essen, mein Freund . Nachdem du mich auf Befehl des rothaarigen Hundsfott rausgeschmissen hattest, habe ich mir einen Herrn gesucht, der meine Fähigkeiten zu schätzen weiß und nicht jedem dahergelaufenen Popanz in den Arsch kriecht!«
Die ungewohnt groben Worte verschlugen Babitt die Sprache. Tartuffe glitt an ihm vorbei und war die Stiegen hinunter, bevor er sich gefasst hatte.
Er schlug die Tür zu und setzte sich so vor den Tisch, dass er den Kasten im Auge behielt.
Unter den Tüchern, die die Käfige bedeckten, erklang schläfriges Gegacker, einer der Vögel musste durch die Stimmen aufgeschreckt worden sein. Babitt gluckte beruhigend zurück.
»Is ja gut, mein Schätzchen, is ja gut.«
Er war stolz darauf, dass es ihm gelungen war, dem Gedankenseher durch die Erinnerung an die Hahnenkämpfe ein Schnippchen zu schlagen.
»Denk an was Langweiliges«, hatte Jermyn gesagt, »an Aufzählungen, zum Beispiel an alle Meister im Himmelsspiel in den letzten Jahren, an die Straßen im Gerberviertel, zähl bis hundert, wenn du das kannst, so baust du eine Sperre um die Gedanken, die du nicht preisgeben willst.«
Sie hatten es ein paar Mal ausprobiert, aber es war ihm niemals gelungen, Jermyn lange fernzuhalten, egal wie viele Straßen er sich vorgesagt oder wie weit er gezählt hatte. Früher oder später hatten ihn die schwarzen Augen in ihren Bann geschlagen. Babitt war froh gewesen, dass sie dabei stets allein waren, denn Jermyn enthüllte unerbittlich jeden Gedanken in seinem Schädel. Und er grinste nur, wenn sie ihn selbst betrafen und nicht allzu freundlich waren.
Babitt vergrub den Kopf in den Händen. Jermyn war ein eingebildeter Hund, aber, bei allen Göttern, er wäre froh, ihn an seiner Seite zu haben, wenn Tartuffe zurückkam!
»Autsch, meine Rippen, he, is ja gut, du kannst loslassen«, keuchte Jermyn, aber Ninian löste die Finger erst aus seinem Kittel, als er sicher auf der Mauerkante lag. Es blieb keine Zeit zum Atemholen, die Verfolger hatten sich von ihrer Überraschung erholt und spannten die Bogen. Sie duckten sich und Ninian spähte misstrauisch in den schwarzen Abgrund.
»Los, runter mit dir!«
Die Pfeile prasselten gegen die Mauer, er schubste sie fast von der Kante und als er die Beine über den Rand schwang, um ihr zu folgen, gellte ihm ein lautes Sirren in den Ohren, ein dunkler Schatten zischte an ihm vorbei, riss ihm die Kapuze vom Kopf und hinterließ eine brennende Spur auf seiner Wange. Die Wachen hatten den Fuß der Mauer erreicht und
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