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AvaNinian – Zweites Buch

AvaNinian – Zweites Buch

Titel: AvaNinian – Zweites Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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dran gewesen war, die Räucherfeuer löschen zu lassen. Aber die Rattenplage hatte in der letzten Zeit überhandgenommen und den Gerbern große Verluste beschert. Auch war es kein leichtes Unterfangen, die Räucherkegel unter den Schuppen zu verteilen und zu entzünden. Wenigstens war ihnen diesmal kein Sklave dabei draufgegangen - die Händler verlangten unverschämte Preise für die miserable Ware, die sie lieferten, sie wussten eben, dass man sich nicht beschweren konnte, immerhin war der Sklavenhandel offiziell verboten.
    Vielleicht sollte er sich doch nächstes Mal ein paar Jungen aus der Gosse holen, wie es manche seiner Zunft machten; für eine Mahlzeit und ein paar Kupfermünzen taten die Bengel alles. Nach denen fragte niemand und wenn einer nicht wieder unter den Hallen hervorkam, konnte man das verschmerzen.
    Crespin nahm seufzend den Stift mit den tiefen Kerben wieder auf, den er niedergelegt hatte, um seine verkrampften Finger zu entspannen. Nach der jahrelangen Arbeit mit der ätzenden Brühe war die Haut seiner Hände gegerbt wie das Leder, das er bearbeitete. Sein Tastsinn hatte gelitten, oft fielen ihm die Dinge aus den Fingern. Die Feder konnte er gar nicht mehr und einen groben Stift nur noch krampfhaft halten.
    Gerade wollte er den nächsten Posten auf der Liste für die Lieferung an das Handelshaus Sasskatchevan eintragen - allerfeinstes Handschuhleder und der Unterhändler des alten Halsabschneiders hatte wieder versucht, den Preis zu drücken als die Tür zum Kontor klappte. Meister Crespin fuhr zornig herum, doch diesmal war der Altgeselle nicht um das Wohlergehen seines Herrn besorgt.
    »Meister, da sin Leute in den Schuppen«, schnaufte er, »ich hab’s erst gar nich gemerkt. Der alte Pero hat’s gemeldet, der Wächter. Er sagt, zwei sin plötzlich auf der Galerie vom erstn Schuppen gewesn un dann sin noch andere durch die kleine Tür, über die Treppe. Wachen, sagt er, ’ne ganze Masse.«
    Der Mann hielt inne, um Luft zu holen, und Crespin rutschte von seinem hohen Stuhl herunter, griff nach seinen Augengläsern und rannte zur Tür hinaus. Der Altgeselle folgte ihm und keuchte im Laufen weiteres Unheil hervor.
    »Die zwei ... sin die Treppen runter ... die Wachen hinter ihnen her ... un jetz renn sie alle zwischen den Häuten ’rum un klettern drauf ... die Wachen schießen un sie ham Fackeln ...«
    »Fackeln? Da soll doch ...«
    »Jou, Pero meint, sie wolln in die dritte Halle, weil da gibt’s nen Ausgang zur Straße un da müssn se durch die zweite Halle ...«
    »Da liegt das Saffianleder, die Lieferung für Sasskatch und den Südhandel!«
    »Eben«, bekräftigte der Altgeselle und schaukelte hinter seinem Herrn her.
    Crespin hastete den Gang entlang und stürmte wie ein ältlicher Rachedämon über den Hof. Der Wind fuhr in sein schütteres graues Haar - die Kappe hatte er vergessen - und in seinen weiten Mantel, so dass er um seine mageren Beine wirbelte. Sein kostbares Leder! Heiß begehrt in allen Reichen unter der Sonne und sie trampelten darauf herum und besudelten es mit Dreck und Kot. Und Fackeln - Rußflocken auf dem schneeweiß gebleichten Saffian! Aber er würde es ihnen eintränken, bei den Göttern, er würde ihnen eine Lektion erteilen!
     
    Babitt rannte. Er rannte durch einen engen, dunklen Gang, unter dem Arm eine schwere Kiste, die er um keinen Preis verlieren durfte, obwohl ihr Gewicht ihn fast zu Boden zog. Etwas Grässliches verfolgte ihn, etwas, das den ganzen Gang ausfüllte und immer näher kam. Er sah sich angstvoll um - ein Hahn, ein Kampfhahn, mannsgroß mit geschliffenem Schnabel und Sensen als Sporen. Die Federhaube klirrte stählern, als er mit dem Kopf ruckte und nach Babitt hackte.
    Krank vor Entsetzen tastete Babitt in seiner Tasche nach einer Waffe, aber er fand nur etwas weiches, rundes, ein Ding wie eine Made. Ihn ekelte davor, er warf es hinter sich und oh, Wunder, das Ungeheuer hielt im Lauf inne um es aufzupicken und er gewann einen kleinen Vorsprung.
    Noch eine Made, zwei, drei - immer wieder griff er in die Tasche, vier, fünf - eine nach der anderen warf er dem monströsen Vogel zum Fraße vor. Sieben, acht - der Abstand schrumpfte, neun - wie Donnerschläge dröhnten die Tritte der sporenbewehrten Krallen in dem engen Gang. Zehn - Babitt wusste, dass diese Made die letzte war. Verzweifelt sah er sie an, bevor er sie über die Schulter warf.
    Es war keine Made, sondern ein Finger, klein und weiß, von einer Mädchenhand. Ciskes Finger

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