Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
inneren Haltung, im besten Fall spiegelt sie die innere Größe wider. Ist diese nicht vorhanden – da ist der Italiener pragmatisch –, reicht aber auch der schöne Schein. Hinter der »bella figura« steckt der Wunsch, gut dazustehen, nicht anzuecken, nicht unangenehm aufzufallen. Was lernen wir daraus? In Italien hat man nicht nur adrett auszusehen, sondern sollte sich auch noch rund um die Uhr gut benehmen! Eine Einstellung, von der man als Frau nur profitieren kann – zumindest auf den ersten Blick. Denn will man(n)ine »bella figura« machen, zahlt er nicht nur die Rechnung, sondern macht es sich auch zur Aufgabe, ein positives Licht auf seine Begleitung zu werfen. Weil die »bella figura« in Italien so wichtig und das Leben hier unter Beobachtung stattfindet, werden Verfehlungen oder Glanzleistungen genau registriert und ausgiebig kommentiert. Wer hat sein Gesicht verloren? Wer war großzügig genug? Gastfreundlich? Wer elegant und charmant? Bei diesem Wetteifern ist es kein Wunder, dass man dem Italiener eine ganze Reihe an positiven Eigenschaften nachsagt. Der gesellschaftliche Druck wirkt: Das Gegenteil der »bella figura«, die »brutta figura«, macht in diesem Land übrigens seit Jahren nur einer: Silvio Berlusconi ... Gute Aussichten also, einen charmanten Mr. Right zu finden.
In diesem Sinne – Avanti Amore! Ihre Dana.
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4. L ago di Como
Getränk: Vino rosso della casa
Freund des Tages: Federico, der Restaurantbesitzer
Place to be: Die Villa le Ortensie in Molina
Erkenntnis: Wenn Miuccia Prada nicht zu mir kommt, komme ich zu ihr
D er Mann vor mir trägt eine fein geschnittene dunkelblaue Anzughose, glänzend polierte Lederschuhe und ein Trikot der italienischen Fußballmannschaft über seinem weißen Hemd. Um den Hals hat er einen grün-weiß-roten Schal geschlungen. Die Kombination ist insgesamt gewöhnungsbedürftig, im Sport scheint der Italiener es mit dem schicken Outfit nicht ganz so genau zu nehmen. Im Zickzacklauf überquert er den Rasen, während ein Junge versucht, ihm den Ball abzujagen, den er geschickt mit seinen Füßen vorwärtsspielt.
» Sono qui! Hier bin ich!«, ruft ein zweiter Junge dem Mann zu. Offenbar will er ihm bedeuten, ihm den Ball herüberzuspielen. Unter ein paar schattigen Bäumen sitzen ein paar ältere Italiener und verfolgen konzentriert das Geschehen. In ihrer Nähe haben sich ihre Frauen versammelt, die damit beschäftigt sind, ein Picknick vorzubereiten. Während wir Deutschen uns allenfalls mit einer Decke und einem Picknickkorb auf den Weg machen, scheint ein italienisches Picknick im Vorfeld hochprofessionell organisiert zu sein, denn die Frauen bauen gerade einen langen Tisch auf, an dem bestimmt zwanzig Personen Platz haben. Den Tisch ziert die obligatorische rot-weiß karierte Tischdecke, auf die gerade große Platten mit prosciutto , formaggio und gegrilltem Gemüse gestellt werden. Die Rollenverteilung istlar und selbst im vergleichsweise modernen Norditalien noch ziemlich traditionell: Die Männer spielen Fußball, die Frauen kümmern sich um die Verpflegung. Dennoch scheint sich keiner daran zu stören, alles wirkt sehr harmonisch. Lautes Lachen dringt zu mir herüber, und auf einmal wünsche ich mir, auch Teil eines solchen familiären Bundes zu sein. In Deutschland gibt es das nur noch viel zu selten. Während ich an dem Grüppchen vorbei Richtung Eingang der Parkanlage laufe, lächele ich la famiglia zu, dann sind sie aus meinem Blickfeld verschwunden, und ich betrete das Gelände der Formel-1-Rennstrecke von Monza. Auf den ersten Blick erscheint der Parcours alles andere als romantisch, aber der nüchterne Schein trügt. Immerhin ist dieser Park Spielort einer der größten deutsch-italienischen Liebesgeschichten: Der Liaison von Ferrari und Michael Schumacher.
Die Rennstrecke befindet sich inmitten einer riesigen Grünanlage. Ohne zu wissen, dass hier die Motoren jaulen und Rennfahrer mit über 300 Sachen über die Bahn fegen, würde man niemals darauf kommen, dass sich hinter den Bäumen, beschaulichen Alleen und eingezäunten Wiesen auch nur eine Straße befindet, geschweige denn eine Formel-1-Strecke. Dabei wurden nirgendwo so viele Rennen gefahren wie hier auf der Bahn von Monza. Nachdem ich eine Viertelstunde gelaufen bin, tauchen die ersten Tribünen auf. Die Strecke selbst kann man nicht betreten, aber ein paar hundert Meter weiter entdecke ich eine kleinere Tribüne, von der man den Parcours ganz gut überblicken
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