Avanti Amore - mein Sommer unter Italienern
kann. Obwohl ich kein großer Formel-1-Fan bin, kann ich mir jetzt, wo ich hier sitze, doch vorstellen, dass es aufregend sein muss, von hier aus ein Rennen zu verfolgen. Ob Paolo, der Kellner aus dem kleinen Restaurant in Mailand, sein Date auf diese Tribüne geführt hat, um hier mit ihr das Picknick zu machen, von dem er mir erzählt hat? Eigentlich doch eine ganz süße Idee. Die Tribüne ist völlig verlassen, trotzdem hat manas Gefühl, an einem geschichtsträchtigen Ort zu sein. Und ein wenig Adrenalin liegt auch noch in der Luft. Mit dem richtigen Mann, einer Flasche prosecco und ein paar italienischen Köstlichkeiten hier in der Sonne zu sitzen, sich zu unterhalten und ein bisschen zu knutschen, ist eine Vorstellung, die mir doch recht gut gefällt. Den deutschen Männern wäre das vermutlich viel zu kitschig.
Leicht wehmütig stehe ich auf und hoffe, dass ich auf dieser Reise einen Mann finden werde, der Lust hat, mich auf ein Date einzuladen. Vielleicht ist ja Mario derjenige, welcher! Beschwingt laufe ich zurück zu meinem Auto, um mich auf den Weg zu ihm an den Comer See zu machen. Da ich seinen Heimatort Molina in meinem Navigationssystem nicht finden kann, gebe ich einen etwas größeren Ort ganz in der Nähe ein, den mir mein Hotel am Telefon für die Routenplanung empfohlen hat: Laglio. Schade eigentlich, dass man als Adresse nicht einfach Mr. Right eingeben kann.
Mein Navigationsgerät führt mich über die A9 Richtung Comer See. Da mein Orientierungssinn zu wünschen übrig lässt, wundert es mich nicht weiter, dass ich die Grenze zur Schweiz überquere. Erst als ich an der Seepromenade von Lugano entlangfahre, kommt mir die Sache merkwürdig vor. Führt der kürzeste Weg von Mailand nach Molina wirklich über den Lago di Lugano? Auf einem Rastplatz mache ich einen kurzen Stopp und falte die Karte auseinander, die ich mir für Notfälle von meinem Vater habe aufschwatzen lassen. Ich werfe einen flüchtigen Blick darauf und sehe, dass eine Straße direkt vom Lago di Lugano zum Lago di Como führt. Diese Information reicht mir, scheinbar bin ich doch auf dem richtigen Weg.
In meinem Navi-Zielort Laglio angekommen, frage ich an einer Tankstelle nach der Route zu meiner Pension in Molina.
»Molina?«, fragt der Tankwart etwas irritiert. »Das liegt doch nicht auf dieser Seite des Sees.«
Wie bitte?«
»Molina ist in der Region Fagetto Lario, Sie sind hier in Laglio. Wenn Sie nach Molina wollen, müssen Sie den See überqueren.«
»Laglio, Lario«, murmele ich. »Ich muss die beiden Orte verwechselt haben.« Ich schüttele den Kopf und schimpfe innerlich mit mir selbst. Typisch. Mein Orientierungssinn ist so schlecht, da ist es ja kein Wunder, dass ich den richtigen Mann immer verpasse.
»Fahren Sie einfach nach Cadenabbia – dort können Sie die Fähre nehmen, die Sie über den See bringt.«
»Caden... was?«, frage ich noch mal nach.
»Cadenabbia. Kennen Sie den Ort denn nicht?« Er wirft einen prüfenden Blick auf mein Nummernschild. »Sie sind doch Deutsche. Den Ort sollten Sie eigentlich kennen.«
»Wieso?«, frage ich zögerlich. Was habe ich denn jetzt schon wieder nicht mitbekommen?
»Da hat Konrad Adenauer immer seinen Urlaub verbracht.«
»Tatsächlich?«
»Ja, ich bin in dem Ort aufgewachsen und habe als Junge mit eurem Kanzler sogar mal Boccia gespielt«, sagt der Herr stolz. »Kennen Sie Boccia?«
»Na klar«, entgegne ich. »Das ist doch das mit den Kugeln. Heißt das nicht Boule?«
»Ich glaube, Boule ist so ähnlich. Aber hier in Italien heißt es Boccia. Das haben wir auf dem Marktplatz in Cadenabbia gespielt. Wenn euer Kanzler dort geurlaubt hat, war das immer ein riesiges Medienereignis. Das müsste sich doch auch bis zu euch rumgesprochen haben.«
»Hat es bestimmt auch. Aber wenn Sie damals ein Junge waren, war ich noch lange nicht geboren.«
»Gut gekontert!« Er muss lachen. Ich lasse mir den Weg zu Adenauers Urlaubsort erklären und fahre dort schon wenig späer mit meinen Wagen auf die Fähre, die mich auf die andere Seeseite bringt, in Richtung meines Zielorts.
Sosehr ich mich zunächst auch ärgere, dass ich durch meinen Umweg so viel Zeit verloren habe, so versöhnt bin ich doch, als das Schiff den Hafen von Cadenabbia verlässt. In meinem Rücken liegt ein Örtchen, dessen Küstenstraße von knallgelben, roten, grünen, weißen und rosafarbenen Häusern gesäumt ist. Vor mir liegt spiegelglatt und dunkelblau der Comer See, dahinter hebt sich eine weite
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