Ave Maria - Roman
ihr beobachtete. Ich fragte mich, wie sie mit Klein Alex umging, wenn ich nicht anwesend war. Alex beschwerte sich nie, aber das tun Kinder ja gewöhnlich auch nicht.
Jetzt war ich wieder in meiner Küche in Washington, D.C., und hatte das Gefühl, als hätte ich überhaupt keinen
Urlaub gehabt. Heute war Donnerstag. Ich hatte noch bis Montag Zeit, in der ich nicht an meine Arbeit denken musste - wie schön! Doch diese Freude währte ganze fünf Minuten.
Gewohnheitsmäßig wanderte ich in mein Büro in der Mansarde. Ich warf meinen Poststapel auf den Schreibtisch und drückte, ohne zu denken, auf die Abspieltaste des Anrufbeantworters.
Was für ein Fehler! Nahezu ein tödlicher.
Neun Nachrichten warteten auf mich.
Die erste stammte von Tony Woods vom FBI.
»Hallo, Alex. Ich habe mehrmals versucht, Sie anzupiepen, aber ohne Erfolg. Bitte, rufen Sie mich in Direktor Burns’ Büro so bald wie möglich an. Und bitte entschuldigen Sie mich bei der Lady, die Ihr Haus hütet. Ich vermute, sie hält mich für einen Stalker. Möglicherweise bin ich das. Rufen Sie mich an.«
Ich lächelte gequält über Tonys trockenen Humor, als seine zweite Nachricht begann.
»Alex, wieder Tony Woods. Bitte, rufen Sie so bald wie möglich an. Es hat noch einen Zwischenfall bezüglich des Mordfalles in Kalifornien gegeben. Die Dinge laufen dort völlig außer Kontrolle. In L.A. ist eine Hysterie ausgebrochen. Die L.A.Times hat die Story über Mary Smiths E-Mails gebracht. Rufen Sie mich an. Es ist wichtig, Alex.«
Tony war erfahren genug, um nicht zu viele spezifische Details auf meinem Anrufbeantworter zu hinterlassen. Vielleicht hoffte er aber auch, durch seine schwammigen Andeutungen meine Neugier anzustacheln.
Und das war ihm gelungen.
29
Ich war ziemlich sicher, dass das jüngste Opfer auch eine Mutter in Hollywood wäre, aber ich fragte mich unwillkürlich, ob Mary Smiths Methoden sich nicht noch weiterentwickelt hätten. Was war mit den E-Mails an die Times ? Die Fernsehnachrichten und das Web würden mir bestenfalls die Hälfte der Geschichte bringen.
Wenn ich mehr wissen wollte, musste ich beim FBI anrufen.
Nein, keine Arbeit bis Montag, rief ich mir ins Gedächtnis. Keine Mordfälle. Keine Mary Smith.
Wieder meldete sich der AB. Es war Ron Burns. Er war kurz und prägnant, wie fast immer.
»Alex, ich habe mit Fred van Allsburg in L.A. gesprochen. Machen Sie sich wegen ihm keine Gedanken, aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Es ist wichtig. Und willkommen zurück in Washington. Willkommen daheim.«
Dann noch ein Anruf von Ron Burns. Seine Stimme war immer noch sehr höflich.
»Alex, nächste Woche haben wir eine Telefonkonferenz, und ich will nicht, dass Sie ins kalte Wasser springen müssen. Rufen Sie mich am Wochenende zu Hause an, wenn nötig. Ich möchte auch, dass Sie mit Detective Galletta in L.A. sprechen. Sie weiß etwas, das Sie wissen müssen. Sollten Sie ihre Telefonnummer nicht haben, wird Tony sie für Sie heraussuchen.«
Die Implikation war glasklar. Ron Burns bat mich nicht, an diesem Fall dranzubleiben. Er befahl es mir. Herrgott,
hatte ich das alles satt - die Morde, die grauenvollen Fälle, einen nach dem anderen. Laut Schätzungen des FBI operierten zurzeit mehr als dreihundert Serienkiller in den Vereinigten Staaten. Wie zum Teufel sollte ich sie alle zur Strecke bringen?
Ich drückte auf »Pause«, um eine Sekunde lang über meine Gefühle nachzudenken. Was ging dort vor? Meine Gedanken gingen direkt zu Mary Smith. Ich hatte sie wieder in meinen Kopf gelassen. Sie hatte mein Interesse geweckt, meine Neugier, wahrscheinlich mein Ego. Eine Serienmörderin, eine Frau - war das möglich? Die andere Frauen ermordete? Mütter?
Aber weshalb? Könnte eine Frau das tun? Nein, das glaubte ich einfach nicht. Ich konnte es mir nicht vorstellen, was nicht bedeutete, dass es nicht möglich war.
Ich fragte mich auch, ob Arnold Griner wieder eine E-Mail bekommen hatte. Welche Rolle spielte Griner oder die L.A.Times bei alledem? Hatte Mary Smith bereits ihr nächstes Opfer im Visier? Was war ihre Motivation?
Dieser Gedankengang drang letztendlich zu mir. Irgendeine nichtsahnende Frau, eine Mutter, würde schon bald in L.A. ihr Leben verlieren. Ein Ehemann und wahrscheinlich Kinder würden zurückbleiben. Das traf mich zu sehr ins Herz. Und ich glaube, Burns wusste das, als er anrief. Selbstverständlich wusste er es.
Vor nahezu zehn Jahren war meine eigene Frau, Maria, aus einem fahrenden Auto
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