Ave Maria - Roman
Kinder sind! Warum sagen Sie mir das nicht?« Dann brach sie in Schluchzen aus. Sie tat mir Leid.
Langsam ging ich um den Tisch herum. »Mary!«, schrie ich sie an, aber sie reagierte überhaupt nicht auf den Klang meiner Stimme, auch nicht darauf, dass ich mich ihr näherte.
»Sagen Sie mir, wo meine Kinder sind! Sagen Sie’s mir! Sagen Sie’s mir! Sofort!«
Ich packte sie an den Schultern, so vorsichtig, wie es unter diesen Umständen möglich war.
»Sagen Sie’s mir!«
»Mary, schauen Sie mich an! Bitte!«
In diesem Moment griff sie nach meiner Pistole.
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Offenbar hatte sie das Holster unter meinem Jackett gesehen. Innerhalb eines Sekundenbruchteils hatte sie mit der Hand nach meiner Waffe gegriffen.
»Nein!«, schrie ich. »Mary!«
Instinktiv stieß ich sie zurück auf den Stuhl, aber dabei riss sie die Waffe aus dem Holster und hielt sie jetzt in der Hand. Ich blickte in ihre Augen, die irre funkelten.
Ich stürzte mich auf sie, packte mit einer Hand ihr Handgelenk und die Pistole mit der anderen. Dabei schrie ich fortwährend ihren Namen.
Dann fielen wir beide über den Stuhl.
Jetzt wimmelte es von Menschen um uns her. Ich hielt mein Augenmerk auf sie gerichtet.
Sie schlug mit der Faust gegen meine Seite. Ihr Gesicht war hochrot. Ich hatte jetzt ein Knie auf ihrer Brust und immer noch ein Handgelenk fest im Griff. Dabei drückte ich die Pistole zu Boden, Mary war tatsächlich so kräftig, wie sie aussah.
Ihre Finger umschlossen bereits den Abzug der Pistole. Sie wand sich verzweifelt und richtete die Mündung der Waffe auf sich - sie neigte den Kopf, um direkt davor zu sein. Sie wusste ganz genau, was sie tat.
»Nein! Mary!«
Mit einem Adrenalinstoß kämpfte ich gegen einen starken Widerstand. Es gelang mir, ihre Hand mit der Waffe zur Decke hinauf zu drücken. Dann schlug ich sie mit aller Kraft auf den Fußboden.
Die Waffe ging los, als sie herunterfiel. Der Schuss schlug in die Wand des Verhörraums ein. Ich griff schnell nach der Waffe. Noch klang mir der Knall des Schusses im Ohr. Eine Seite meines Gesichts war betäubt.
Einen Moment lang herrschte beinahe Schweigen.
Mary hörte sofort auf, sich zu wehren. Dann stürzte sich die Polizei wieder auf sie, ein unglaubliches Echo der Ereignisse des Vortages. Die Polizisten packten sie. Jetzt schlug sie wieder wild mit Armen und Beinen um sich.
Ich hörte ihr lautes Schluchzen, als man sie wegtrug.
»Meine Babys, meine armen Babys, meine Babys … Wo sind meine Kinder? Wo? Wo? Was habt ihr mit meinen Kindern gemacht?«
Langsam wurde ihre Stimme auf dem Korridor schwächer. Dann knallte eine schwere Tür zu. Stille. Es war keine Überraschung, dass man mir keine weitere Chance für eine Befragung gab.
Um alles noch schlimmer zu machen, falls das überhaupt möglich war, sah ich James Truscott, als ich eine Stunde später das Gebäude verließ. Er stand mitten in einer Meute von Reportern, die draußen auf Informationskrümel warteten.
Er rief mir zu: »Wie ist sie an Ihre Waffe gekommen, Dr. Cross? Wie konnte das geschehen?« Irgendwie hatte Truscott bereits seine Story bekommen.
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Ich konnte über die Ursachen und das volle Ausmaß von Mary Wagners Geisteskrankheit, die sie offensichtlich furchtbar quälte und unter Druck setzte, nur spekulieren. Ich hatte keine Zeit gehabt, eine vernünftige psychologische Beurteilung zu erstellen. Und jetzt war meine Rolle bei den Ermittlungen auch bald beendet, ob es mir gefiel oder nicht. Und ehrlich gesagt, ich hatte gemischte Gefühle dabei.
Am Ende des Nachmittags war Marys Geisteszustand ein unwichtiger Punkt. Die Durchsuchung ihres Hauses durch das LAPD hatte jede Menge Beweise ergeben.
Eine Walther PKK, die unter einer Decke auf ihrem Dachboden gefunden worden war, war bereits von der Ballistik untersucht worden, und es handelte sich zweifelsfrei um die Tatwaffe bei den Morden.
CSI hatte auch ein halbes Dutzend Blätter mit Kinderstickern und - am signifikantesten - die gestohlenen Familienfotos aus Marti Lowenstein-Bells Büro und Suzie Cartoulis’ Brieftasche. Sowohl Michael Bell als auch Giovanni Cartoulis hatten die Fotos als die ihrer ermordeten Ehefrauen identifiziert.
»Und am besten, jedenfalls am wichtigsten«, erklärte Fred van Allsburg der kleinen Gruppe Agenten, die sich in seinem Büro versammelt hatte. »Zwölf Uhr mittags ist heute gekommen und gegangen, ohne dass etwas passiert ist. Kein neues Opfer, keine neue E-Mail. Es ist vorbei. Ich glaube, das kann ich mit
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